So klappt es mit der Integration
Mohammed Assila ist interkultureller Berater des Kreises Mettmann und gibt ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern wertvolle Tipps zum Thema Islam.
Kreis Mettmann. Der Mann mittleren Alters trägt ein schwarzes Shirt und graue Schläfen, er arbeitet in einem Kindergarten mit Flüchtlingskindern, und er will eines nicht verstehen. „Wenn die Eltern die Kleinen abholen, dann drängt sich oft der Vater zwischen mich und die Mutter des Kindes. Mit ihr zu sprechen ist quasi unmöglich. Dieses Frauenbild will mir einfach nicht in den Kopf“, sagt er — und erntet zustimmendes Nicken aus der Runde.
Dass diese Geste nicht von mangelnden Rechten der Dame zeugt, muss Mohammed Assila dann erst einmal erklären. So, wie auch viele andere Dinge an diesem Nachmittag im Mettmanner Kreishaus. Assila, gebürtiger Marokkaner, ist Lehrer für islamischen Religionsunterricht und interkultureller Berater des Kreises. In den Kursen, die er gibt, will er ehrenamtlichen Helfern dabei helfen, die Kultur der muslimischen Flüchtlinge, die sie betreuen, zu verstehen — so soll die Integrationsarbeit besser gelingen. Seine wichtigsten Tipps im Überblick:
Vor allem junge Menschen und Frauen müssen möglichst früh in die Gesellschaft aufgenommen werden, erklärt Assila: „Frauen, die nur in Hinterhöfen hocken, gebären die Versager von Morgen.“ Menschen, die sich ausgegrenzt fühlen, seien zudem anfällig dafür, sich von radikalen Gruppen angesprochen zu fühlen. „Mit ihrer Arbeit verhindern die Flüchtlingshelfer auch eine Radikalisierung der Migranten“, sagt der Islamwissenschaftler.
Probleme zwischen Helfer und Zugezogenem entstünden oft auch aus missglückter Kommunikation, erklärt der Islamwissenschaftler. „Wer von ,deutscher Pünktlichkeit’ spricht, tut dies vielleicht mit guten Absichten — behauptet aber gleichzeitig, alle anderen seien nicht pünktlich.“ Gerade falsche Wortwahl könne zur Ausgrenzung der Flüchtlinge führen.
Bei der Begegnung von Helfern und Flüchtlingen treffen nicht nur Nationen und Sprachen, sondern auch Kulturen aufeinander. Es sei denkbar, Kulturdolmetscher einzustellen, die zwischen Helfern und Flüchtlingen vermitteln. „Auch Kurse für Flüchtlingshelfer können helfen, die Kultur des Islam zu dekodieren. So werden sie bei ihrer Arbeit nicht ins kalte Wasser geworfen.“
„Wer aus einem Krisengebiet geflüchtet ist und dabei Familie und Besitz zurückgelassen hat, dem bleibt oft nur die Religion. Für viele ist Allah der einzige Freund, der ihnen geblieben ist“, erklärt Assila. Von Flüchtlingen dürfe deshalb nicht erwartet werden, dass sie ihre Religion vernachlässigen.
Ein Problem, dass viele Helfer im Umgang mit den Flüchtlingen nennen, ist das in ihren Augen im Islam weit verbreitete negative Frauenbild. Doch gerade hier dürfe man sich nicht von Gesten oder Äußerlichkeiten dazu verleiten lassen, zu glauben, die Frau sei in der muslimischen Kultur in jedem Fall dem Mann unterworfen. „Glauben Sie nicht, dass eine Frau, die in der Öffentlichkeit hinter ihrem Mann zurückbleibt, zuhause nichts zu sagen hat“, erklärt Assila. Gleichzeitig aber kritisiert er auch die Haltung derer Vertreter des Islam, die Frauenrechte erkennbar und vorsätzlich missachten oder beispielsweise ihre Bewegungsfreiheit eingrenzen wollen: „Der Koran unterstreicht die Wichtigkeit des Vertrauens zwischen Mann und Frau“, so Assila.
Die europäische Gesellschaft sei davon geprägt, möglichst viele Dinge erklären zu wollen — auch Verlässlichkeit und Kontrolle spielen eine große Rolle in der westlichen Kultur, erklärt Assila. Demgegenüber stehe eine oft eher emotional argumentierende Gemeinschaft auf Seiten der Flüchtlinge. „Die Helfer sollten darauf gefasst sein, dass sich Menschen am hier üblichen Beharren auf Verlässlichkeit und Regeln stören“, erklärt Mohammed Assila. Wer darauf vorbereitet ist, reagiert unter Umständen gelassener.
Trotz aller Rücksicht seitens der freiwilligen Helfer: In Deutschland allgemein geltende Regeln müssen auch von den Migranten beachtet werden, sagt Assila. „Wir brauchen eine Vereinbarung von Islam und deutschem Grundgesetz.“ So müsse etwa von Menschen erwartet werden können, dass sie sich an ihrem Arbeitsplatz ausstempeln, wenn sie Zeit zum Beten brauchen. „So, wie es andere zum Beispiel für eine Raucherpause tun.“ Generell müssten beide Seiten darauf achten, keine Fronten aufzubauen: „Integration ist keine Einbahnstraße.“
„Die Helfer sollten die kulturelle Vielfalt als Bereicherung begreifen“, sagt der Islamwissenschaftler Mohammed Assila. Soll heißen: Neues ist nicht immer bedrohlich — es kann auch hilfreich sein.