Behinderte testen Haltestellen
Wie behindertengerecht sind Gehwege? Betroffene geben ihr Urteil ab.
Ratingen. Die Bedingungen sind nicht die besten an diesem Dienstagmorgen. Es schüttet aus Eimern, ist kalt und rutschig auf den Straßen. Doch Marion Höltermann, die sehr aktive Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins, kommt dennoch. Man trifft sich im Eingangsbereich des alten Hertie-Hauses an der Düsseldorfer Straße. Dass sehbehinderte Menschen in Ratingen sicher über die Straßen kommen, ist ihr ein besonderes Anliegen, vor allem auch in ihrem Stadtteil Homberg, in dem sie lebt. Mit ihr wollen auch Dirk Winkelmann vom Tiefbauamt und Jörg Saborni, Behindertenkoordinator der Stadt, schauen, wie blindengerecht die Straßen Ratingens sind. Ein zertifizierter Orientierungs- und Mobilitätstrainer soll die einzelnen Stellen fachlich bewerten. Hannelore Hanning, Fraktionsvorsitzende der FDP, ist ebenfalls dabei.
In einem Land, in dem es für alles Gesetze gibt, herrscht mitunter auch ein Regelungs-Tohuwabohu. Winkelmann betont, dass die Bundesregierung bis zu einem bestimmten Stichtag den barrierefreien Umbau der Städte realisiert wissen will. Theoretisch möglich, praktisch jedoch nicht. Denn auch die Länder und die Städte verfahren recht unterschiedlich, wie Winkelmann berichtet. Fest steht: Bei Neubaumaßnahmen denkt die Stadt in erster Linie auch an die behinderten Menschen. Dieses Prinzip hat man verinnerlicht und es wird zurzeit bei der Umgestaltung des Düsseldorfer Platzes besonders anschaulich umgesetzt. Doch an dieser Stelle ist längst noch nicht alles fertig.
Höltermann interessiert sich vor allem für die taktilen Rillenplatten an den Ampelübergängen. Im Idealfall wird der sehbehinderte Mensch mit Hilfe der hellen Platten sicher geführt. Am Übergang zur Hauptstelle der Sparkasse HRV an der Düsseldorfer Straße macht sie den Test, begleitet von einer Betreuerin und von ihrem Hund. Höltermann tastet sich vorsichtig voran. Man bespricht die Stelle, denkt über mögliche Änderungen nach. Weiter geht es zur Bushaltestelle an der Grabenstraße, an der es ebenfalls taktile Rillenplatten und ein sogenanntes Aufmerksamkeitsfeld gibt: Das ist ein größerer Bereich, der signalisieren soll, dass in dieser Höhe der Bus hält.
Der Orientierungsexperte findet, dass das Feld in Form und Größe an der richtigen Stelle steht. Gefährlich ist der abgekantete Bürgersteig, der schnell zur Stolperfalle werden kann. Saborni, der neue Behindertenkoordinator, hört sich die Vorschläge und die Kritik in Ruhe an. „Ich bin neu hier in der Stadt und muss mich erst noch einarbeiten“, sagt er. Sein erster Eindruck: Die Behindertenverbände engagieren sich sehr stark, setzen sich nachhaltig für die Lösungen ihrer Probleme ein.
Winkelmann betont, dass man seitens der Stadt keine Prioritätenliste habe. Bei Baumaßnahmen denke man automatisch an die Barrierefreiheit, so natürlich auch an den neu zu gestaltenden Haltestellen.
Fazit des Rundgangs: An einigen Stellen muss man dringend nachbessern. Und: Der Planungsteufel steckt vor allem im Detail. Deshalb hat die Tour durch Innenstadt auch wichtige Erkenntnisse für die Verwaltung gebracht.