Bürger beklagen Medizinermangel

Die ärztliche Versorgung in Tiefenbroich ist an der unteren Grenze. Die Stadt will sich darum kümmern.

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Tiefenbroich. Im Stadtteil bemängeln vor allem ältere Bewohner, dass es seit geraumer Zeit nur noch einen Allgemeinmediziner in Tiefenbroich gibt. Vor allem bei den älteren Tiefenbroichern machte sich Unmut breit, dass man sich diesen nun auch noch mit über 1000 Flüchtlingen teilen solle. Das wurde am Rande einer Info-Veranstaltung im Januar bekannt. Diesbezüglich konnte der Erste Beigeordnete Rolf Steuwe zwar Entwarnung geben, er versprach jedoch, grundsätzlich mit der Kassenärztlichen Versorgung Kontakt über die Ärztesituation in Tiefenbroich aufzunehmen. Die große Bedeutung dieses Themas sei ihm auch unabhängig der Flüchtlingssituation bewusst. In der Oktober-Sitzung des Bezirksausschusses Tiefenbroich hakte Willi Bechen, Sachkundiger Bürger, noch einmal nach: Er interessierte sich für den Sachstand der Bemühungen der Stadt bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVN).

Jetzt liegt die Antwort der Verwaltung vor. Man habe noch einmal die KVN angeschrieben, so Stefan Corneße vom Amt für Soziales, Wohnungswesen und Integration: „Nach dem Ergebnis dieser erneuten Anfrage hat der zuständige Landesausschuss zwischenzeitlich beschlossen, dass die Ansiedlung eines Arztes in Tiefenbroich zulässig ist. Dieser Beschluss wird endgültig wirksam, sollte er durch die oberste Landesbehörde bis Ende Januar 2017 nicht beanstandet werden.“ Doch Stefan Corneße schränkt ein: „Das Wirksamwerden dieses Beschlusses bedeutet jedoch nicht, dass die Kassenärztliche Vereinigung einen in Ratingen niederlassungswilligen Arzt den Standort Tiefenbroich vorschreiben kann. Vielmehr wird von der Kassenärztlichen Vereinigung empfohlen, dass seitens der Stadt Werbung für die Niederlassung eines Arztes in Tiefenbroich gemacht werden solle.“

Wolfgang Diedrich, erster stellvertretender Bürgermeister und als Ratsmitglied für Tiefenbroich zuständig, verweist darauf, dass auf die etwa 6500 Einwohner in Tiefenbroich nur eine Hausärztin komme. Er zitiert die Richtlinie der Kassenärztlichen Vereinigung wonach ein Hausarzt 1671 Einwohner versorgen solle. Hintergrund: Wegen einer Übergangsregelung der seit 2013 geltenden Bedarfs-Richtlinie war Ratingen für die Niederlassung weiterer Hausärzte gesperrt. Bereits im April teilte die KVN der Stadt jedoch mit, dass diese Regelunge auslaufe und man etwa ab Jahreshälfte mit Hausärzten für Ratingen rechnen könne.

Dazu Christoph Schneider, KVN, auf Anfrage: „Der gesamte Bereich der Stadt Ratingen war und ist für etwa drei Hausarztsitze geöffnet. Es könnten sich also auf Antrag jederzeit bis zu drei interessierte Hausärzte im Stadtgebiet und damit auch im Stadtteil Tiefenbroich neu niederlassen.“ Nach den Vorgaben des Gesetzgebers bildet die Stadt Ratingen einen kompletten hausärztlichen Versorgungsbezirk, den sogenannten „Mittelbereich Ratingen“ — es wird nicht stadtteilbezogen geplant beziehungsweise zugelassen. Derzeit sind in der Stadt Ratingen insgesamt etwa 56 Allgemeinmediziner/Hausärzte niedergelassen (gesamter Kreis Mettmann etwa 300), der Versorgungsgrad der hausärztlichen Versorgung Ratingens liegt bei rund 103 Prozent. „Damit ist die Versorgungssituation — gemäß der gesetzlichen Vorgaben — rein formal als gut zu bezeichnen“, sagt Christoph Schneider.

Auch die fachärztliche Versorgung sei stabil und sicher, wobei hier durch die gesetzlichen Vorgaben der gesamte Kreis Mettmann die entscheidende Planungsgröße darstellt. Bei den fachärztlichen Grundversorgern sei im Augenblick eine ausreichende Zahl an Medizinern niedergelassen, lediglich eine halbe augenärztliche Zulassung war Mitte des Jahres unbesetzt: „Aufgrund der guten Versorgungslage besteht sogar eine Zulassungssperre, das heißt es dürfen sich keine zusätzlichen Fachärzte mehr im Kreis niederlassen. Die Übernahme bestehender Praxen ist aber möglich“, so Schneider.

Vom ärztlichen Nachwuchsmangel sind zwar grundsätzlich alle Regionen in Nordrhein-Westfalen betroffen, der sich abzeichnende Mangel werde jedoch zunächst insbesondere ländliche und strukturschwache Regionen betreffen. „Im Vergleich zu vielen ländlicheren Kommunen, etwa in der Eifel oder am linken Niederrhein, hat Ratingen im Wettbewerb um junge Ärztinnen und Ärzte keine schlechten Karten — nicht zuletzt durch die Nähe zu Großstädten, wie Düsseldorf oder Essen. Denn eine gute Infrastruktur und Anbindung an Ballungsräume ist für junge Mediziner ein bedeutender Niederlassungs-Faktor“, so Schneider.