Ratingen Auf den Spuren des Porzellans

Ratingen. · Prunkgeschirr und Tafelaufsätze von Johann Peter Melchior gehören zu den Porzellanschätzen des Hauses an der Grabenstraße.

„Der Schlummer der Schäferin“ (vor 1770) von Johann Peter Melchior ist vor zwei Jahren restauriert worden.

Foto: Achim Blazy (abz)

Im Keller des Museums Ratingen stehen ein paar große Kisten, in denen ein sogenanntes Prunkgeschirr verstaut ist. Dabei dreht es sich um ein Geschirr, das Mitte der 90er Jahre von Künstlerhand für das Museum gefertigt worden ist.

Nebenan im Museum hinter dem aparten Innenhof, da, wo in anmutigen Vitrinen des Porzellankünstlers Johann Peter Melchiors feinsinnige Tafelaufsätze Porzellan-Kenner in Begeisterung versetzen – da sollte auch ein solches Geschirr mit allem Drum und Dran für 50 Personen als zeitgenössische Antwort vorhanden sein. Dachte sich damals Museumsleiterin Ursula Mildner. Es wurde Geld gesammelt, denn die Düsseldorfer Künstlergruppe „Die Langheimer“ sollte das Geschirr kreieren. Die Freunde und Förderer des Museums waren dann diejenigen, die am massivsten um Spenden trommelten.

Aus dem über Jahre mühsam zusammengesparten Ankaufsetat des Museums, aus Mitteln des Fördervereins, Spenden der Ratinger Bevölkerung, nicht zuletzt aber dank einer großzügigen Gabe der Kulturstiftung der Deutschen Bank konnte das Vorhaben und die erforderliche fünfstellige Summe finanziert werden.

Drum und Dran bedeutet, dass hier nicht nur 50erlei große Platzteller aus irdenem Scherben hergestellt werden sollten, sondern auch mancherlei Figuren und eher grobschlächtige Gefäße. Zuletzt wurde an einem Abend im Juni 2016 vom Förderverein für zahlende Gäste aufgetischt, und zwar inmitten der aktuellen Ausstellung von ­Ulrike Zilly, die als Mitglied der Langheimer am Geschirr mitgearbeitet hatte.

Dr. Marie Luise Otten, die Mitbegründerin, langjährige Vorsitzende und nun Ehrenvorsitzende des Freundeskreises, gab einen Jahrhunderte übergreifenden Blick aufs Tafeln und Essen, vergaß aber auch die Gegenwart nicht: „Wir tafeln heute stilvoll vom Prunkgeschirr der Düsseldorfer Künstlergruppe „Die Langheimer“, zu der neben Ulrike Zilly auch Robert Hartmann und Werner Reuber gehören. In dem zwischen 1995 und 1997 entstandenen Geschirr haben wir ein Werk von bizarrem Formenreichtum und erzählerischer Ausgelassenheit vor uns.“

Geschirr mit Goldrand
wurde für Feste genutzt

Noch vor etwa zwei Generationen war es im Bürgertum durchaus üblich, neben dem eher simplen Alltagsgeschirr noch eins für Sonntage und Feste vorzuhalten. In der Regel hatte dieses Geschirr einen Goldrand, der heute nicht in die Mikrowelle und sich in der Spülmaschine in nichts auflösen würde.

„Die teilweise hochkultivierten Tischsitten der Antike waren“, so führte Marie Luise Otten aus, „in Vergessenheit geraten. Flache, aufgeschnittene Brotleibe dienten als Teller, gegessen wurde mit den Fingern, selten gab es Löffel oder Messer. Die eigene Kleidung diente nach dem Essen dem Säubern der Finger, und zwar bei Bauern und Adeligen gleichermaßen“.

Das Prunkgeschirr der Langheimer mit seinen erzählerischen Szenen auf den Platztellern, den deftigen, burlesken tafelaufsatzähnlichen Figuren und den zu allerlei Tischgerät umfunktionierten ländlich heiteren Szenerien fügt sich in die Tradition der barocken Tischkultur, für die im Museum Ratingen die Kunst des Porzellanbildners Johann Peter Melchiors steht. Es gibt derzeit keinen Termin, zu dem das Prunkgeschirr von der Kette gelassen werden könnte. Aber – es ist so attraktiv und bemerkenswert, dass das Museum sehr wohl einmal darüber nachdenken sollte. Aber Melchiors Arbeiten sind Tag für Tag zu betrachten. Sie erfüllen einen Dekorationsanspruch, den wir heute gar nicht mehr zu stellen wüßten. Da, wo selbst heutzutage zu „feinsten“ Anlässen formschöne Schalen, Platten und anderes Gerät hervorragende Ausstattung signalisieren – da kam Melchior mit seinen allerliebsten Figuren groß raus.

Und man muss schon sagen, dass in einer 25 Zentimeter hohen Figurengruppe „Der Schlummer der Schäferin“ sicherlich mehr und Witzigeres zu entdecken ist, als in einer Schüssel Rosenkohl. Und dafür gab es schließlich diese Tafel-Aufbauten: Sie machten das Warten aufs Essen erbaulich und kündeten auch von der finanziellen Potenz des Gastgebers. Trotz der Vielzahl an Gerichten und der prunkvollen Tischdekoration war das Speisen an der barocken Fürstentafel nicht immer eine Gaumenfreude. Gerichte wurden oft lauwarm oder kalt serviert, denn der Weg von der Küche bis zur Tafel war lang. Unterwegs gab es sogar mehrere Aufwärmöfen. Vieles war so weichgekocht, dass man es auch ohne Zähne essen konnte.

Hier wird mit einer erfreulichen Sammlung von Melchiors Arbeiten auch für die Besucher ein Einblick in den Umgang mit Porzellan angeboten. Eigens für das Ratinger Museum wurden zwei Reliefplatten mit der Darstellung der mythologischen Gestalten und Prometheus abgegossen. Sie sind ein Geschenk des Vereins der Lintorfer Heimatfreunde zur Neueröffnung der Melchior-Abteilung im Jahr 2012.