Der junge Wilde und sein Fiat
Warum auf den 18. Geburtstag warten, wenn die Lust auf Autofahren mit 16 lockt? Carlo Sollazzo aus Ratingen erzählt.
Ratingen. Wenn er alte Bilder seines Fiat 600 anschaut, bekommt das Gesicht von Carlo Sollazzo (58) etwas Spitzbübisches. Er erinnert sich gerne an die Zeit zurück, als er mit seinen Freunden an dem Wagen geschraubt hat und über die Straßen seines Heimatdorfs in Italien gerumpelt ist — bevorzugt schneller als erlaubt, und das mit gerade einmal 16 Jahren.
„Das Fahren hatte ich von Freunden gelernt. Und ich wollte unbedingt einen Wagen haben, weil ich damals Rallyefahrer werden wollte. Autos und Geschwindigkeit haben mich einfach fasziniert“, sagt Sollazzo, der heute in Ratingen lebt.
Seinen Fiat 600 kaufte er 1969. „Von einem Bekannten, unter der Hand. Das war üblich. Ein normaler Autohändler hätte mir jungem Burschen ja niemals ein Auto verkauft.“
Der Wagen war 14 Jahre alt, 23 PS „stark“ und kostete 20 000 Lire. Das entspricht zwar nach heutiger Umrechnung nur zehn Euro — „war aber damals ein hübsches Sümmchen für einen 16-Jährigen“. Aber er habe den Wagen unbedingt kaufen wollen. „So habe ich das Geld, das ich bei meinen Ferienjobs verdient hatte, gespart. Damit konnte ich einen Teil der Kosten zahlen. Den Rest haben die Freunde aus meiner Clique dazugegeben. Wir haben uns gegenseitig geholfen“, erzählt Carlo Sollazzo.
Mit seinem Wagen fuhr er gerne die Schotterwege rund um sein Heimatdorf ab. „Passiert ist nie etwas. Im Gegenteil: Ich kannte jede Kurve in- und auswendig.“ Und das war sein Glück, als ihm eines Tages die Polizei entgegen kam. „Die blaue Giulietta der italienischen Polizei habe ich schon von weitem erkannt. Ich habe dann sofort auf der Straße gewendet und bin geflüchtet. Ich fuhr ja ohne Führerschein.“
Mit Blaulicht und Sirene nahmen die Polizisten die Verfolgung auf. Aber Carlo Sollazzo war schneller, fuhr in sein Heimatdorf und dort in eine Kfz-Werkstatt am Ortseingang. „Dann hab ich nur noch das Werkstatttor zugemacht und gewartet, bis die Polizei vorbeifuhr. Die Flucht war zwar erfolgreich. Mein Puls aber trotzdem auf 180.“
Warten, bis er 18 wurde, wollte Sollazzo aber nicht. Die Leidenschaft für seinen Fiat 600 war zu groß. „Aber eines Tages war ich dann doch ein wenig zu schnell und habe in einer Kurve einen Unfall gebaut — ein halbes Jahr vor meinem 18. Geburtstag.“
Frontal ist er mit einem Lkw zusammengestoßen. Sein Fiat war Totalschaden. Sollazzo rannte schnell nach Hause, bevor die Polizei eintraf. „Aber sie haben mich natürlich trotzdem ausfindig gemacht. Irgendwann standen sie vor der Tür meiner Eltern.“
Die waren alles andere als begeistert über das, was ihr Sohn angestellt hatte. „Sie mussten ja für den Schaden aufkommen. Zum Glück war dem anderen Fahrer nichts geschehen.“ Zur Strafe durfte Carlo Sollazzo gar kein Auto mehr fahren — drei Jahre lang nicht.
Rallyefahrer ist er nicht geworden. „Das war ja so ein Traum, den ich mir als Jugendlicher in den Kopf gesetzt hatte. Aber schnell fahren, das mache ich auch heute hin und wieder noch gerne — ohne jugendlichen Leichtsinn“, sagt er mit einem Lächeln.