Eine Stadt bittet um Gnade
Heute vor 70 Jahren wurde Ratingen kampflos den Alliierten übergeben. Die Amerikaner zogen ein.
„An die Ratinger Bevölkerung! Nachdem die Wehrmacht entschieden hat, dass die Stadt Ratingen nicht verteidigt wird, biete ich die Übergabe unserer Stadt an. Ich bitte, den einrückenden Besatzungstruppen mit Würde und Zurückhaltung zu begegnen, auch jede unüberlegte Handlung zu unterlassen, da Nachteile und vielleicht Vernichtung der Stadt die Folge sein könnten. Ratingen, den 17. April 1945. Der Bürgermeister.“ Mit dieser Bekanntmachung wurde vor 70 Jahren das Ende des Zweiten Weltkrieges in Ratingen eingeleitet. Mit der Bekanntmachung wurde mit einem Telefonanruf zum Befehlsstand der Amerikaner in Erkrath die Übergabe der Stadt angeboten: „Ich bitte um Gnade für diese Stadt und ihre Einwohner.“ Eine Antwort blieb aus.
Vor 70 Jahren:
Die Stunde Null
Um den Willen zur Übergabe auch sichtbar kundzutun, gab der städtische Beigeordnete Schmidt eine knappe Anordnung an den örtlichen Schornsteinfegermeister: „Ich gebe Ihnen hiermit den Auftrag, auf beiden Kirchtürmen die weiße Fahne zu hissen.“ Die evangelische Pfarrersfrau und die Haushälterin des Pastors Hilbing stellten Bettlaken zur Verfügung, die an den Türmen befestigt wurden. Kurz nach 20 Uhr traf der erste Panzer vor dem Lyzeum an der Schwarzbachstraße ein. Er wurde zum Rathaus geleitet, wo die Übergabebedingungen festgelegt wurden: Abgabe aller Waffen, Beseitigung aller Straßensperren, Freilassung aller Kriegsgefangenen.
Die amerikanische Einheit errichtete im „Rheinischen Hof“ ihre Befehlsstelle. Knapp einen Monat später wurde Franz Josef Gemmert zum ersten Nachkriegsbürgermeister Ratingens ernannt. Gemmert, Direktor der Brügelmannschen Baumwollspinnerei, war politisch unbelastet. Seine erste Amtshandlung galt der Sühne der Ermordung von elf Zwangsarbeitern durch die Gestapo im Kalkumer Wald wenige Tage vor Kriegsende. Die Amerikaner ordneten an, dass Nazis die im Wald verscharrten Leichen ausgraben und auch bei der feierlichen Beisetzung der Toten vor St. Peter und Paul Hilfsdienste leisten mussten. Zur Trauerfeier waren rund tausend Ratinger auf dem Marktplatz versammelt. Red