Eine Werbetour für die Westbahn
Ratingen. Es ist 15.11 Uhr, gut zehn Minuten nach dem Start, als Lokführer Thomas Becker den Zug zum ersten Mal komplett abbremst. 80 Fahrgäste aus allen Parteien, der Verwaltung, Unternehmen und Verbänden schwatzen munter weiter; nur David Uhr ahnt, dass der Zeitplan komplett aus der Spur laufen wird: „Vor uns blockiert eine defekte S-Bahn die Weiterfahrt“, bedauert der Geschäftsführer des Logistikunternehmens „Railflex“.
Erst nach 23 Minuten Zwangspause geht es weiter.
Auch wenn er keine rote Dienstmütze trägt, ist Uhr der Chef dieses einmaligen Sonderzugs. Mit ihm will die Stadt beweisen, dass die Ratinger Westbahn nicht tot ist, sondern als Verbindung dringend gebraucht wird. Das gelingt am Mittwochnachmittag, braucht aber das Doppelte der veranschlagten 90 Minuten Fahrtzeit.
Ein symbolischer Akt, bei dem auch die Geduldsprobe irgendwie dazugehört. In der Theorie ließen sich die 42 Schienenkilometer von Düsseldorf über Tiefenbroich, Ratingen West und Lintorf bis zum Duisburger Hauptbahnhof in 31 Minuten zurücklegen. Welch eine Perspektive angesichts der oft stundenlangen Autostaus rings um Ratingen. 40 000 Menschen könnten sofort von der Ratinger Westbahn profitieren. Die Firmen und Gewerbegebiete links wie rechts der Trasse bekämen ebenfalls eine Schubhilfe. Ratingen-Pendler zwischen Köln und Duisburg brauchten kein eigenes Auto mehr. So ist die Vision.
Olaf Tünkers, Unternehmensverband Ratingen
Die hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr im Jahr 2011 aufs Abstellgleis geschoben. Basis war damals ein Gutachten, das die Investitionskosten von 140 Millionen Euro und Betriebskosten von vier bis sechs Millionen Euro für die Wiederbelebung der 1983 eingestellten Ratinger Westbahn als unwirtschaftlich bezeichnete.
„Wir brauchen ein neues Gutachten mit anderen Prämissen — und dann werden wir sehen, dass sich die Strecke rechnet. Die ganzen Totschlagsargumente müssen weg“, fordert Ratingens Bürgermeister Klaus Pesch.
Dazu gehört, dass für die Ratinger Westbahn ein eigenes Gleis verlegt werden müsste. „Wir zeigen heute, dass wir mit den bestehenden Gleisen auskommen, wenn wir sie geschickt nutzen“, sagt Olaf Tünkers vom Unternehmensverband Ratingen. Südlich von Ratingen schwenkt der Sonderzug auf die Strecke der S-Bahn S 6 ein. Dadurch bleibt Gerresheim unerschlossen, aber die Westbahn muss auch nicht durch den Düsseldorfer Staufenplatztunnel fahren. Dessen Nachrüstung würde viele Millionen verschlingen, weil sich dort derzeit aus Gründen des Brandschutzes Güter- und Personenzüge nur ausnahmsweise begegnen dürften.
Tomas Frühbuss von der Standortinitiative „In West“ plädiert für „eine kleine Lösung“: „Vormittags zwischen 6 und 9 Uhr und nachmittags zwischen 15 und 18 Uhr soll die Ratinger Westbahn alle 20 Minuten fahren.“ Pesch und die Unternehmensvertreter bearbeiten während der Fahrt die Skeptiker. Ein VRR-Mann sagt schließlich, man nehme die Ratinger Westbahn „wieder in die Diskussion auf“.