Höseler Knabenchor: Nicht nur die Stimme zählt
Bei der Aufnahme in den Höseler Knabenchor wird nicht nur die Musikalität, sondern auch die ganze Persönlichkeit der jungen Bewerber berücksichtigt.
Hösel. „Wir suchen hier keine Stars für Oper oder Musical. Wir brauchen gute Stimmen, die ausbildungsfähig sind“, definiert Toralf Hildebrandt die Anforderungen. Der Kantor weiß, was er für die Verstärkung seines Knabenchors will. Aber nicht nur Jungs für den besonderen Ton sind gefragt. Die Bereitschaft, diszipliniert zu arbeiten, sich sozialverträglich als Teil einer Gruppe zu verstehen und wirklich aus eigenem Antrieb dabei zu sein, sind mindestens ebenso relevant.
„Ich bin heute etwas heiser“, entschuldigt sich Max. Als er auf der Silbe „Do“ einzelne vom Kantor am Klavier angespielte Töne nachsingen soll, rutscht dem Wilhelm-Busch-Grundschüler die Stimme weg. Aber die anschließende Rhythmusübung absolviert er mit Bravour, das so genannte Zungen-R in „Rose“ rollt er vorbildlich und das im Schulchor geübte „Es, es, es und es“ singt er einwandfrei. „Das hast Du gut gemacht. Prima!“, lobt Hildebrandt.
Mit Max, Ben, Frederick, Julian, Albert, Tolga und Georg sind sieben Kandidaten zum Vorsingen im evangelischen Gemeindezentrum an der Bahnhofstraße angetreten. Sie alle absolvierten einige Übungen. Im anschließenden Gespräch werden ebenso schulische Leistungen wie die prinzipielle Einstellung abgefragt: „Stell’ Dir vor, Dein bester Freund hat zu seinem Geburtstag eingeladen. Und ich habe in letzter Sekunde zum gleichen Zeitpunkt eine Chorprobe angesetzt. Wo gehst Du hin?“
„Wir brauchen Mitsinger, die absolut zuverlässig sind“, erläutert der Chorleiter. Vielleicht auch deshalb ist eines der Jurymitglieder Musiklehrer Sebastian Münch. Er kennt die Wilhelm-Busch-Schüler aus dem eigenen Unterricht, kann deren Engagement realistisch einschätzen. Mit Luk Vossen beurteilt außerdem ein aktiver Chorsänger seine Kollegen in spe. „Die Rhythmusübung habe ich damals beim Vorsingen auch nicht geschafft“, nimmt er später einen Kandidaten mit engelsgleicher Stimme wegen eines Patzers in Schutz.
Doch dessen schulische Leistungen geben durchaus Anlass zur Diskussion. Trotz seiner bemerkenswerten Stimme zögert die Jury zunächst, ihm eine Zusage zu erteilen. „Du musst ehrgeizig arbeiten. Wir müssen uns auf unsere Sänger verlassen können“, gibt der Chorleiter dem Neumitglied mit auf den Weg.
„Der Toralf Hildebrandt versteht es echt, zu motivieren. Der ist erste Sahne und hat eine tolle Art, die Übungen zu leiten“, begeistert sich Kai. Der Neunjährige ist seit einem knappen Jahr mit „echt Spaß an der Sache“ dabei. So beschreibt auch Marko (12) sein Dasein als Knabenchormitglied. Als er vor drei Jahren vorsang, war er „mächtig aufgeregt. Gesungen hatte ich immer gerne, aber man weiß ja nicht, ob man auch gut genug ist.“
Dreimal wird in der Woche geprobt, das ist schön, lässt aber auch kaum Zeit für andere Hobbys. „Kurz vor Weihnachten haben wir dann ganz viele Auftritte. Dafür fallen aber Proben aus“, beschreibt Mitstreiter Lukas. Wie sein Freund Marko ist der Elfjährige seit drei Jahren dabei, eine spätere Karriere als Sänger könnte er sich durchaus vorstellen „oder sonst was Interessantes“.
Den Knabenchor findet er toll — vor allem die Auftritte im Ausland. „Wir waren schon in New York, Nizza, Paris, London und Monaco.“ Als Nächstes steht für sie ab Samstag bis zum 16. Juli eine Europa-Tournee nach Portugal an mit Konzerten etwa in den Kathedralen von Lissabon, Porto, Lagos . Und nach den Sommerferien geht es dann mit den Neuen los. „Wir freuen uns schon alle“, erklären die alten Hasen mit Blick auf die Neuzugänge.