Männergesangsverein gibt sein Abschiedskonzert
Nach 108 Jahren geht die Ära „Eintracht 1903“ Tiefenbroich zu Ende.
Tiefenbroich. „Ich war vor acht Jahren auf ihrem hundertjährigen Jubiläum mit Gunther Emmerlich. Damals habe ich — halb im Spaß — gesagt: Die sollen mal auf meiner Beerdigung singen. Jetzt bin ich stattdessen auf ihrer. . .“ Die Trauer in der Stimme ist bei der 78-jährige Marlies Gierse aus Ratingen Ost nicht zu überhören. Wehmut empfanden auch viele andere Gäste, die am Samstag zum Abschiedskonzert des Männergesangvereins „Eintracht 1903“ Tiefenbroich in den Festsaal des Jägerhofs gekommen waren. Das Gründungsdatum macht klar: Nach 108 Jahren geht eine Ära zu Ende.
Nach den Gründen befragt, sagte Zuhörer Horst Brink: „Das ist die Entwicklung der Zeit: Heutzutage interessiert sich doch niemand mehr für deutsches Liedgut. Fragen sie mal die Jugendlichen auf der Straße, welche Lieder der Mundorgel sie kennen. Die wissen wahrscheinlich nicht mal, was eine Mundorgel ist.“ Allerdings war er vom Programm des Chores zum Abschied auch ein bisschen enttäuscht. „Ich hatte auf echte Klassiker des deutschen Männergesangs gehofft — ,Am Brunnen vor dem Tore’ zum Beispiel.“ Stattdessen gab der Chor eine bunte Mischung von Schlagern (Udo Jürgens) bis hin zu russischen Volksliedern zum Besten. Unterstützt wurde er dabei von „Boris und Uwe & dem Balalaikaensemble Zarewitsch“/. Auf die Auftritte dieser Gastkünstler gab es sehr gemischte Reaktionen. Während die Sänger und Musiker viel Beifall erhielten, rissen die Tänzerinnen kaum jemanden vom Hocker.
Dennoch waren die Konzertbesucher im Jägerhof stolz auf ihren MGV — und auch traurig über den Abschied. Horst Brink: „Da geht schon ein Stück Dorfgeschichte in die Knie.“ Warum er denn dann nicht selbst Chormitglied geworden ist? „Ach, mir fehlt die Zeit. Ich habe zu Hause Verpflichtungen und bin auch in mehreren Vereinen aktiv — das ging einfach nicht. Aber wenn ich hier und heute etwas retten könnte, wenn ich mich anmeldete, dann würde ich das sofort machen. Aber leider ist es dazu zu spät.“
Schade für die Männer, die seit so vielen Jahren Zeit und Arbeit investiert haben, um diese Chorgemeinschaft am Leben zu halten, und die jetzt vor dem Nichts stehen. Horst Dudde ist seit 1971 dabei. Er sagte traurig: „Alle sagen, ich soll einfach in einen anderen Chor gehen. Aber ich bin jetzt 80 Jahre alt — da ist man nicht mehr so flexibel.“ Die Gemeinschaft werde ihm fehlen, genau wie seinen Kameraden. Mit Freude und Elan haben die Sänger den Verein ausgefüllt und mit Unterstützung ihrer Frauen das Vereinsleben gestaltet — Feste, Weihnachtsfeiern, Ausflüge. Jetzt bleiben nur die Erinnerungen.
Vereinsvorsitzender Joachim Schrey: „Wir haben getan, was wir konnten, aber der Nachwuchs blieb aus. Mir tut es vor allem um die Mitglieder leid. Ein Sänger ist gerade erst in die Nürnberger Gegend gezogen, um aus gesundheitlichen Gründen in der Nähe seiner Tochter zu sein. Er ist sehr traurig, heute nicht hier sein zu können. Man ist in den Jahren eben doch zusammengewachsen. Wir sind alle sehr, sehr traurig.“
Aber der Chor verabschiedete sich immerhin mit einem großen Triumph: Das letzte Konzert brachte die Leute auf die Beine. Es kamen knapp 150 Gäste, der Saal des Jägerhofes war voll bis auf den letzten Platz, zusätzliche Stühle mussten organisiert werden — und die verbliebenen Sänger klappten ihre Noten unter tosendem Applaus zu.