Mode öffnet Türen zu einer neuen Heimat
Amel Abdallah und Hana Kamari sind aus Syrien geflohen. Sie machen ein Praktikum bei Esprit.
Ratingen. Paris, London oder doch Düsseldorf? Viele Metropolen beanspruchen für sich den Titel Modezentrum. Amel (19) und Hana (32) lernen jetzt den besonderen Charme der Modestadt Ratingen kennen. Nicht ganz freiwillig. Denn beide sind Flüchtlinge.
In der Europazentrale eines hier ansässigen Mode- und Lifestyle-Konzerns absolvieren sie Praktika. „Toll“ sei es, schwärmt Amel. Sie ist im Outlet am Voisweg beschäftigt, mit Händen und Füßen versucht sie sich dort verständlich zu machen und jenseits des eigentlichen Jobs über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen, wenn ihre Deutschkenntnisse noch nicht ausreichen. Denn die Sprache, das weiß sie, „muss ich lernen“. Aus ihrer Heimatstadt Dar’a in die Flucht geschlagen, haben sie und ihren Mann, ein Bauingenieur, der Syrien-Krieg, Zerstörung und Perspektivlosigkeit vertrieben.
AmelAbdallah, Flüchtling aus Syrien
Deutschland kannten sie aus Erzählungen, „ein schönes Land. Und es gibt Arbeit“, und arbeiten möchte die junge Muslima, die eigentlich davon träumte, Pharmazie zu studieren und Apothekerin zu werden. „Was die Zukunft bringt, ist vollkommen unklar“, wagt sie den sprichwörtlichen Blick in die Kristallkugel. Wenn es irgendwie möglich ist, möchte sie in Deutschland bleiben. Sich hier etwas aufbauen. Denn auch, wenn es ihr das Herz zerreißt: „Es gibt kein Zuhause mehr. In Syrien ist alles kaputt.“ Während des dreimonatigen Praktikums hat sie jetzt zunächst die Chance, in einen Job zu schnuppern — und vor allem die Sprache zu lernen.
Ebenso wie ihre Landsmännin Hana. Aus Aleppo ist sie mit ihrer kleinen Tochter Haifa, Schwester Farah (24) und den Eltern geflohen. „Wir haben Verwandte in Hamburg, dahin führte uns zunächst der Weg“, erzählt sie in perfektem Englisch. In Norddeutschland aber konnten sie und ihre Familie nicht bleiben, sondern wurden der Flüchtlingsunterkunft in Tiefenbroich zugewiesen. „Erst vor kurzem konnten wir umziehen“, in eine eigene, kleine Wohnung.
Auch ihr Lebens mag sie nicht passiv abwarten, sondern will aktiv gestalten. Bei einem sozialen Come together für Flüchtlinge und Bürger lernte sie Mona Schmadl kennen. Die arbeitet bei Esprit — und so rutschte Hana als Praktikantin für drei Monate ins Team der Abteilung Bodywear/Sports. Dort gewinnt sie Einblicke ins kaufmännische Geschehen. Sich das Fachwissen anzueignen, findet die gelernte Informatikerin nicht zu kompliziert. „Die deutsche Sprache ist eine Herausforderung“, benennt sie die Tücken von Vokabeln und Aussprache, vor allem, was die Grammatik angeht. Sie ist gewillt, zu lernen, möchte das Praktikum als Einstiegsqualifizierung auf dem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt nutzen. Denn nach ihrer Einschätzung „ist es sehr schwer, nach Aleppo zurückzugehen“. Wann und mit welcher Perspektive sollte das sein? Beide sind motiviert, auf der Suche nach Sprachkursen und wollen „auf jeden Fall“ zu Kollegen geknüpfte Kontakte nach dem Praktikum fortsetzen. Wer weiß, vielleicht bekommen sie weitere Ausbildungsmöglichkeiten und so Chancen, wirklich ein neues Leben beginnen zu können.