Die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht beschäftigt derzeit nicht nur die Politiker, sondern auch die junge Generation. In einer Zeit, in der der Krieg auf europäischem Boden mit dem Ukraine-Konflikt wieder näher an die Realität heranrückt, wird die Frage nach der Bedeutung von Wehr- und Zivildienst neu gestellt. Schülerinnen und Schüler aus der Gesamtschule Barmen und dem Carl-Fuhlrott-Gymnasium äußern sich zu den verschiedenen Aspekten dieses Themas – von der Gleichberechtigung und Freiwilligkeit bis hin zur Notwendigkeit angesichts geopolitischer Spannungen.
Für viele der 16- bis 18-jährigen befragten Schüler ist der Gedanke an eine Pflicht zur Verteidigung des Landes nicht ohne Zögern. Das Thema der Freiwilligkeit und Gleichberechtigung ist an beiden Schulen ein zentrales Anliegen. Philip Strauß vom Carl-Fuhlrott-Gymnasium spricht von den infrastrukturellen Problemen einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht. „Es fehlen Kasernen, Ausbilder und Ausrüstung“, erklärt er.
Dennoch erkennt er angesichts der geopolitischen Lage das Erfordernis einer Neubewertung des Wehrdienstes. „Das Aufrüsten der Bundeswehr könnte zur Abschreckung dienen, ohne dass es zum Ernstfall kommen muss“, so Strauß. Der Krieg sei immerhin näher als je zuvor. Milla Seidel fügt hinzu, dass der Krieg in der Ukraine vielen Jugendlichen das Bewusstsein für die Sicherheit in Europa schärfe. „Früher war der Gedanke an Krieg weit weg, doch heute ist er allgegenwärtig, vor allem durch die Bilder in den sozialen Medien und in den Nachrichten“, erklärt Seidel.
Die Freiwilligkeit bleibt ein weiteres Thema für die Jugendlichen, denn es bleibt die Frage, wie sich persönliche Zukunftspläne durch eine verpflichtende Dienstleistung verändern würden. Viele Schüler haben konkrete Vorstellungen von ihrer Zukunft: Studium, Reisen oder eine Ausbildung stehen im Vordergrund. „Wenn die Wehrpflicht eingeführt wird, verschieben sich für alle ihre Pläne, und man hat nicht das Gefühl, Chancen zu verpassen“, meint Lotta Seidel, die nach dem Abitur zunächst ins Ausland reisen wollte. Philip Strauß schließt sich dieser Meinung an: „Ich möchte erst einmal die Welt sehen, aber ich könnte mir auch vorstellen, im Rettungsdienst einen Beitrag zu leisten“, so der 17-Jährige.
Sahil Wadwa von der Gesamtschule Barmen, sieht sich derzeit weder im Zivildienst noch im Wehrdienst. Stattdessen wolle er ein Gap-Year machen. Doch für diejenigen ohne konkrete Zukunftspläne sei der Dienst eine Chance zur Selbstfindung. „Es könnte auch ein Beitrag sein, den demografischen Wandel, also den Fachkräftemangel zu bewältigen, vor allem im Pflegebereich.“
Moritz Freund von der Gesamtschule Barmen reflektiert die ethischen Implikationen der Wehrpflicht. „Ich bin bereit, das Land zu verteidigen. Ich möchte aber nicht in den Krieg ziehen, für eine Politik, hinter der ich nicht stehe.“ Für ihn sollte es jedem freistehen, den Dienst an der Waffe abzulehnen. Früher wurde der Zivildienst oft als minderwertig betrachtet, doch das habe sich laut der Schüler geändert. „Der Zivildienst leistet genauso einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft“, ist Freund überzeugt. Auch für die Gymnasiasten ist der Zivildienst kein „Ersatzdienst“, sondern eine gleichwertige Möglichkeit, sich für die Gesellschaft einzubringen.
Jugendliche fordern die Einbeziehung aller Geschlechter
Malina Kisper, Gesamtschule Barmen, sieht in der Wehrpflicht ein weiteres Problem: die Gleichberechtigung der Geschlechter. „Wenn nur Männer verpflichtet werden, ist das ungerecht.“ Sie fordert mehr Gleichstellung und sieht es als selbstverständlich an, dass auch Frauen einen Dienst für die Gesellschaft leisten sollten.
Für Lotta Seidel vom Carl-Fuhlrott-Gymnasium sind die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht der entscheidende Faktor. „Es wäre nur zeitgemäß, wenn alle Geschlechter zur Bundeswehr müssen“, sagt sie. Sie sieht die Möglichkeit, traditionelle Geschlechterrollen aufzubrechen, indem mehr Männer in sozialen Bereichen wie dem Zivildienst tätig sind. Maximilian Teske meint, dass die Auswahl von Dienstpositionen nicht nach Geschlecht, sondern nach Fähigkeiten und Motivation erfolgen sollte. Diese Haltung teilt auch Mitschülerin Milla Seidel: „Ohne eine Änderung des Grundgesetzes wird es schwierig, Frauen in die Wehrpflicht zu integrieren.“
Auch wenn der Wehrdienst für viele noch keine klare Option ist, zeigt sich doch, dass die Bereitschaft, der Gesellschaft zu dienen, weit verbreitet ist. Ob die Wehrpflicht wieder eingeführt wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die junge Generation ihre Stimme erheben möchte. „Wir wollen, dass unsere Meinung zählt“, sagt Lotta Seidel und fordert, dass die Jugendlichen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.