Ratingen als Einkaufsstadt Ratinger geben ihr Geld woanders aus
Ratingen · Die Ratinger lieben ihre Innenstadt und beobachten Veränderungen mit Argusaugen. Sie sparen aber auch nicht mit Kritik am Branchenmix. Mit Recht? Stadtmarketing und IHK liefern Zahlen zu dieser Frage.
Douglas und Gerry Weber haben nach vielen Jahren der Ratinger Innenstadt den Rücken gekehrt. Der Fortbestand von C&A stand lange auf der Kippe. Besonders schmerzte die Bürger die Schließung zweier alteingesessener Metzgereien. Zwar kamen einige neue Geschäfte dazu – zum Beispiel in den Wallhöfen – doch so richtig zufrieden sind die Ratinger nicht. Sie bemängeln in den Sozialen Medien häufig ein Überangebot von Barber-Shops oder Handyläden. Ist die Kritik am Branchenmix berechtigt?
Wie so oft spricht das subjektive Empfinden eine andere Sprache als das nackte Zahlenwerk. Dirk Bongards, Chef von Ratingen Marketing, bietet ein paar Fakten, die das lokale Standortmanagement, das aktuell neu besetzt wird, ermittelt hat: „Im April 2021 zählte man im Einzugsbereich Mitte 25 Leerstände. Im Februar 2023 waren es noch neun, davon vier in Vermittlung.“ Eine durchaus positive Entwicklung also und „im Vergleich zu anderen Innenstädten keine besorgniserregende Zahl an Leerständen“, so Bongards. Statistisch steht die Innenstadt also gar nicht so schlecht da.
Bongards selbst ist viel in der Stadt unterwegs. Das Angebot für Mode sei vielfältig und ausgeprägt, erfuhr er in zahlreichen Gesprächen. Die Bürger vermissen jedoch ein Markenangebot und Geschäfte für junge Mode. Als Beispiel für einen Magneten, der einen Kontrapunkt zum Onlinegeschäft setzen könnte, nennt Bongards zum Beispiel TK Maxx.
Ein Kaufhaus wie Karstadt
wird schmerzlich vermisst
Eine Umfrage der Ratinger FDP aus dem vergangenen Herbst bestätigt dies. Viele Befragte wünschten sich mehr Bekleidungsgeschäfte, insbesondere für junge Leute, Männer und Kinder. Ein Kaufhaus wie Karstadt wird schmerzlich vermisst, ebenso sucht man spezielle Bekleidungsgeschäfte für Männer und Frauen mit Größen abseits der Norm vergeblich. Diese anzusiedeln ist jedoch leichter gesagt als getan. Denn Stadt oder Standortmanagement haben nur begrenzten Einfluss auf künftige Mieter von Geschäftsräumen. Letztlich entscheidet der Hauseigentümer, an wen er sich vertraglich bindet. Ratingen Marketing hat einen Eigentümerdialog ins Leben gerufen, bei dem sich Immobilienbesitzer austauschen können. Das Gros, so Bongards, habe Interesse an einer gut frequentierten Innenstadt und wähle die Mieter sehr sorgsam aus. Aber: „Die Spanne der geforderten Mieten ist sehr groß.“ Hin und wieder gebe es Leerstände, weil die Mieterwartung nicht mit der Ausstattung der Räume korrespondiere, stellt Bongards fest. Allerdings sei die Modernisierung denkmalgeschützter Gebäude, von denen es in der Innenstadt eine ganze Reihe gibt, eine kostspielige Angelegenheit und erfordere höhere Mieteinnahmen.
Hier beginnt ein neuer Teufelskreis, wie die Industrie- und Handelskammer in einer Untersuchung feststellte. Dazu wurden die Besucherströme in allen zehn Städten des Kreises Mettmann gemessen. „Positiv fallen die Ratinger und die Hildener Innenstadt auf, denn hier wurden die durchschnittlich höchsten Tagesfrequenzen gemessen“, sagt Tina Schmidt, Branchenbeauftrage der IHK Düsseldorf. Mit einem entscheidenden Unterschied: Während Ratingen zwar eine höhere Kaufkraft aufweist als Hilden (Ratingen 118,1 im Jahr 2020, Hilden 109,5) geben die Ratinger ihr Geld jenseits der Stadtgrenzen aus. Nur rund 90 Prozent bleiben in der Stadt. Hilden dagegen zieht Kunden aus den Nachbarstädten an und sichert sich eine Kaufkraftkennziffer von 123,5 Prozent. Die Ratinger Innenstadt hat also offenbar eine hohe Aufenthaltsqualität, shoppen gehen die Bürger aber woanders. Hier beißt sich die Katze quasi in den Schwanz. „Namhafte Anbieter fordern klare Kennzahlen“, so Bongards. Und die kann Ratingen aktuell nicht bieten.
Und dann wäre da noch das leidige Thema mit den uneinheitlichen Öffnungszeiten. Hier hält sich Bongards raus: „Verlässliche Öffnungszeiten wären wünschenswert, müssen von den Händlern aber aus eigenem Antrieb realisiert werden.“