Schöpfung ist eine runde Sache
Der Erdkreis inmitten des Chorraumes von St. Peter und Paul spielt in der architektonischen und künstlerischen Ausgestaltung der Kirche eine wichtige Rolle.
Es gibt sie seit über 100 Jahren in der Pfarrkirche St. Peter und Paul: eine viel bewunderte, „runde Sache“, die Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments, dargestellt in einem großen Mosaikbild. Das Besondere an diesem Bild aus vielen bunten Steinchen ist, dass es unter anderem zwei Symbole in sich vereinigt: den Kreis und die Zahl sechs.
Zunächst zur Zahl sechs: ein sechseckiger Grundriss bestimmt den Bau des Chorraumes. Der Grundriss wiederholt sich im Inneren in den Außenlinien eines Bodenbildes. In dieses Sechseck hinein ist ein Kreis mit mehreren konzentrischen Ringen gelegt. Mauern, Zinnen und Türme verweisen auf das „himmlische Jerusalem“, das in idealer Form einen Bereich umschließt und abrundet: die Schöpfung Gottes, das Paradies der Bibel, den Lebenskreis der Menschen. In die Mauern sind große Fenster eingelassen, die den Blick in die einzelnen Schöpfungstage freigeben.
Der „Erdkreis“ erzählt in Symbolen die uralte Schöpfungsgeschichte — in sieben Tagen. Doch der siebte Tag, an dem Gott ruhte, der fehlt auf den ersten Blick. Wo ist dieser Tag in diesem Mosaikbild? Der Halbkreis mit dem Sechstagewerk vollendet sich zum vollen Kreis unter den Stufen des Altars. Diesen Teil des Kreises können wir aber nur mit dem „inneren Auge“ wahrnehmen. Er ist aber zweifellos da. Der Erdkreis vollendet sich an dem Ort, an dem die Menschen Gott in besonderer Weise erfahren können. Aus dem Erdkreis heraus wird hier Gottes Geschichte mit den Menschen erzählt, zunächst mit einem Beispiel aus dem Alten Testament, dem Paschamahl vor dem Auszug der Israeliten aus Ägypten. Im Altaraufbau steht dann der Gründonnerstag mit der Fußwaschung und dem letzten Abendmahl im Mittelpunkt. Der Kreislauf der Schöpfungsgeschichte bekommt somit eine neue Dimension, die auch den Israeliten bei der 40-jährigen Wanderung durch die Wüste bewusst war. Gott war bei ihnen im Zelt (lateinisch: Tabernakel). So ist der eigentliche Mittelpunkt des hier dargestellten Erdkreises das Tabernakel, die Wohnung Gottes bei den Menschen. Wenn man den Chorraum betritt, kann man genau diesen programmatischen Satz auf der ersten Stufe lesen: „Quam dilecta tabernacula tua, domine virtutum.“ („Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr der Mächte.“)
Wie kam es zu der Idee, Schöpfungsgeschichte und Erdkreis in einem Gesamtkunstwerk darzustellen? Die Antwort findet sich in einem alten Buch des Jesuiten Heinrich Engelgrave, das 1651 in Antwerpen gedruckt wurde, das sich nachweislich seit 1685 im Besitz der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul befindet. Der Zusammenhang zwischen Buch und Kunstwerk liegt in der Emblematik, einer besonderen Bildersprache. Es ist der künstlerische Versuch, Glaubensaussagen „sinnbildlich“ auszudrücken.
So führt dieses Buch mit Bild und Text durch die Sonntage des Kirchenjahres. Zwischen einem Bild, das dem ersten Sonntag nach Ostern gewidmet ist, und dem dargestellten „Erdkreis“ in St. Peter und Paul gibt es eine auffällige Nähe. Das barocke Bild im runden Rahmen zeigt, wie aus einer großen Wolke die Hand Gottes erscheint, die mit einem Zirkel auf eine leere quadratische Fläche den Erdkreis einzeichnet.
Der erklärende Text zu diesem Bild erinnert daran, wie Jesus nach der Auferstehung zu seinen Jüngern kommt, die sich aus Angst eingeschlossen hatten: „Er trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch.“ (Joh. 20, 19) Die Zirkelspitze ist im Sinne des Emblems Jesus selbst, der mit dem Zirkelschlag alles umschließt, um die Angst zu nehmen.
Die Übertragung auf das Mosaikbild wäre dann die Anwesenheit Christi im Tabernakel, Mittelpunkt “ oder „Licht des Evangeliums“. Der Kreis ist damit auch Symbol für Gott selbst, an dem der Mensch teilhaben kann: eine „runde Sache“, wenn man so will.