Kreis Mettmann Der neue Neandertalhof für Azrael und seine Damen
Kreis Mettmann. · Der neue Neandertalhof nimmt Formen an: Für zwei von drei geplanten Gebäuden sind die Fundamente gegossen und Stahlträger eingelassen. Wände und Tore müssen den kaum zähmbaren Kolossen etwas entgegen setzen können.
Wer einen Wisent bändigen will, braucht Stahl und Beton. Architektin Simone Müschenborn schaut auf das Fundament des Neubaus, aus dem die Eisenträger ragen. „Die Sicherheit der Tiere und der Gehege-Mitarbeiter war uns wichtig“, sagt sie – deshalb sind die Wände im Stall des neuen Neandertalhofs besonders dick: „Die Wisente haben eine hohe Aufprall-Last. Wenn die sich gegen Wände und Tore werfen, dann müssen die schon einiges aushalten.“ Schließlich ist der Wisent, der ausgewachsen ein Gewicht von bis 1000 Kilogramm auf die Waage bringen kann, das größte in Deutschland lebende Wildtier. „Und daher bauen wir hier auch keinen Ziegenstall“, fügt die Kreis-Sprecherin Daniela Hitzemann mit Blick auf die Kosten der neuen Gebäude schmunzelnd hinzu.
Der Kreis will zur Arterhaltung der vom Aussterben bedrohten Tierart beitragen und baut daher am Wildgehege neue Wirtschaftsgebäude. Sie werden unweit der Hauptstraße in Hochdahl zusammen gezogen. Die bisherigen Bauten in den Düsselauen entfallen, um die Natur zu schützen. Zurzeit entstehen in zwei voneinander getrennten Bauten die Stallungen sowie Unterstände und Räume für Fahrzeuge und Werkstatt.
Mit dem Umweltbildungszentrum soll in einem dritten Bauabschnitt ein weiteres Gebäude hinzu kommen. Die drei Teile sollen so angeordnet sein, dass die Anmutung eines Hofes entsteht – des Neandertalhofs. Die Kosten für das gesamte Projekt sind mit rund einer Million Euro veranschlagt, „und bisher liegen wir auch im Zeit- und Kostenrahmen“, berichtet Müschenborn.
Das ist nicht selbstverständlich, handelt es sich doch um individuell geplante Gebäude: „Es gibt nichts Vergleichbares, dafür gibt es nichts von der Stange“, betont die Architektin. Denn anders als für einen Discounter, dessen Baupläne und Modulbauteile auf jede x-beliebige Stadt übertragen werden können, gibt es für ein Wisent-Gehege kaum Erfahrungswerte. Daher haben sich die Planer mit Fachleuten des Wuppertaler Zoos kurz geschlossen und deren Ideen mit einfließen lassen. Dabei war zu beachten, „dass sich ein Wisent so sehr zähmen lässt wie ein Hai – nämlich gar nicht“, sagt Münschenborn nicht ohne Respekt.
Dennoch müssen die Tiere dazu bewegt werden, in die Ställe zu gehen, etwa wenn eine Kuh kalbt oder ein Tier untersucht werden muss. Daher hoffen die Mitarbeiter, sie mit Futter anlocken und sie mit immer gleichen Wegen und Abläufen an die Stallungen gewöhnen zu können. Gut für Tierliebhaber, die auf diese Weise künftig wohl mehr Gelegenheiten haben als bisher, die scheuen Tiere zu beobachten.
Lichtdurchflutet und offen sollen die Ställe sein, damit die Wisente in den Räumen keine Angst bekommen. Zurzeit versorgt das Wildgehege zwei ältere Wisent-Kühe und einen Bullen. Drei weibliche Jungtiere sollen künftig hinzu kommen. Es wird bereits Ausschau nach entsprechenden Tieren gehalten – gar nicht so einfach bei einer aussterbenden Rasse, denn Inzucht muss ausgeschlossen, der Gen-Pool soll ja schließlich aufgefrischt werden.
Beim Bau der Gebäude wurden auch ökologische Aspekte berücksichtigt. Die Dächer werden begrünt, das hat den Vorteil, dass sie sich in die Landschaft gut einfügen. Der Betrieb soll weitestgehend klimaneutral laufen, man will Öko-Strom und -Gas nutzen, Photovoltaik-Anlagen sollen ebenfalls aufs Dach. Holzlamellen aus Fichte und Lärche sowie Holzbauteile in „Bergisch Grün“ weisen auf den Standort im Niederbergischen hin.
Es ist das bisher spannendste Projekt, für das Simone Müschenberg zuständig ist: Die 45-Jährige ist seit 18 Jahren beim Kreis Mettmann beschäftigt, „und ich bin so begeistert, ich glaube, das wird wunderschön. Man kommt auf die Baustelle und freut sich.“
Die Bauarbeiten sollen Ende Dezember abgeschlossen sein. Mit dem Bau des Umweltbildungszentrums wird 2021/22 gestartet. Die Pläne dazu sind bereits so weit voran getrieben, dass sie genehmigungsfähig sind.