Altweiber: Jecke entern das sinkende Schiff
Die Velberter Narren erobern das Rathaus, das diesmal nicht von „Kapitän“ Stefan Freitag verteidigt wurde.
Velbert. Die Matrosen vom Bürgermeisterbüro schmetterten ihren Shanty durchs Foyer: „An der Rathausküste, auf dem sinkenden Schiff, gehn wir langsam unter, und stranden am Riff“, sangen die Seefrauen und -männer in ihren blau-weißen Anzügen voller Selbstironie. Angeführt von ihrem Kapitän, dem stellvertretenden Bürgermeister Bernd Tondorf, übergaben sie das Rathausschiff an das Prinzenpaar Nina I. und Benny I.. Letzterer musste für den Schlüssel aber gehörig rudern.
„Heute dürfen wir nicht nur stürmen, sondern auch abreißen“, drohte Benny I. an. Und die Jecken hielten sich ran. Schon ab 11.11 Uhr wurde im Rathaus gefeiert, um 15.11 begann mit dem Rathaussturm die totale Party. „Es ist zwar nicht so voll wie früher, aber dafür ist die Stimmung gut — und die Stadt muss hoffentlich nicht wie früher das Treppenhaus renovieren“, erinnerte sich Karsten Bangert, ehemaliger Leiter des Bürgermeisterbüros, an „wilde Zeiten“.
Am Donnerstag fehlte nur noch der eigentliche „Kapitän“ zum Glück: Bürgermeister Stefan Freitag befindet sich zur Zeit im Urlaub. „Stefan, komm bald wieder“ sangen die Jecken — das Fernbleiben des Stadtoberhaupts beim traditionellen Rathaussturm kam nicht überall gut an. Schließlich hatte Freitag im letzten Jahr die Gäste noch vortrefflich als „Klinikchef“ Professor Freitag unterhalten.
„Für ihn ist das eigentlich ein Pflichttermin“, war Sabrina Jaite enttäuscht. Die ehemalige Prinzessin von 2007 war mit ihrer Tanzgruppe von der KG Grün-Weiß Langenhorst zum Sturm angetreten — traditionell waren die Frauen als „Möhne“ schaurig-schön verkleidet.
Diesmal war Velbert also auf hoher, stürmischer See: „Wir sind die Crew, die den Pleitekutter retten soll“, sagte der erfahrene Karnevalist Bernd Tondorf in seiner Büttenrede. Vieles sei auch nur mit Humor zu ertragen — und feiern erlaubt, wenn man danach mit voller Kraft weiterarbeite.
Die Idee zum „sinkenden Schiff“ hatte Angelika Grube aus dem Sekretariat des Bürgermeisters. Sie wurde ebenso mit dem Karnevalsorden ausgezeichnet wie Pressesprecher Hans-Joachim Blißenbach und Kämmerer Sven Lindemann. „Es ist zwar Altweiber, aber wir wollen die Männer schon dabei haben“, sagte Angelika Grube über ihre Kollegen.
Bis 18 Uhr schlug der Frohsinn hohe Wellen, dann wurde im Rathaus „ausgekehrt“: „Wir wollen keine Konkurrenz zu den Gastwirten sein“, sagte Tondorf.