Bücherei verliert 300 Kunden

Viele haben sich abgemeldet, aber es gibt immer noch Nutzer, die das Angebot schätzen.

Velbert. „Dann sah ich das Kind. Ein kleiner Junge, vielleicht fünf Jahre alt, ganz dreckverschmiert. Ich fragte ihn, wo er denn herkomme. Da sagte er, er sei Automechaniker und kommt von der Arbeit.“ Es ist kein Witz, sondern das Erlebnis eines deutschen Hauptmanns in Afghanistan.

Das Buch „Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan“ ist eines von rund 100 000 Medien, die zum Bestand der Velberter Stadtbücherei gehören.

Die Einrichtung hat nun ihren Bericht für das Jahr 2012 vorgelegt. Demnach hatte sie im vergangenen Jahr 7636 aktive Kunden, zu denen alle Nutzer zählen, die einen gültigen Bibliotheksausweis besitzen.

Damit ist die Zahl wieder auf dem Stand von 2010, nachdem sie 2011 um 300 Nutzer angestiegen war. Zu ihnen gehört Jacqueline Montemurri aus Neviges, die trotz Google und Wikipedia die Recherche mit Büchern schätzt: „In Büchereien kann man sich auf die Quelle verlassen, da man das Buch in seinen Händen hält. Im Internet kann man nie genau wissen, ob die Quellenangaben stimmen, da wird man von einem Link zum nächsten gejagt.“

Größte Veränderung war 2012 die Einführung von Automaten in der Zentralbibliothek, mit denen die Nutzer ihre Medien selbst verbuchen — was nicht allen gefällt: „Mir fehlt die persönliche Bedienung, das Zwischenmenschliche“, sagt Renate Calenberg. „Und dafür wird dann Personal eingespart?“

Aber auch die Bücherei selbst hat eine Beanstandung: „Leider fehlen in allen drei Einrichtungen zusätzliche Räume für Schüler-Lerngruppen“, sagt Leiterin Anja Bley. Dies erschwere, den Geräuschpegel zu senken.

„Gerade in der Zentralbibliothek halten sich vermehrt Schülergruppen auf, die die übrigen Nutzer durch ihre Gespräche stören“, ergänzt die stellvertretende Leiterin Ulrike Motte. Außerdem gebe es in der dortigen Kinderbücherei keinen Veranstaltungsbereich, der einen Schallschutz biete.

Seit März kann man deshalb an einer Art Kaugummi-Automat für einen Euro Ohrstöpsel kaufen, zumal Bildungsdezernent Holger Richter mitteilt, dass „derzeit keine freien Räume für die gewünschte Nutzung zur Verfügung stehen“. Das Anliegen könne erst bei künftigen Veränderungen berücksichtigt werden, womit er auf die angedachte Verlagerung der Verwaltung ab 2016 anspielt.

Für Herbst ist geplant, fremdsprachige Zeitungen ins Angebot aufzunehmen — jedoch nur digital. Wie Bley mitteilt, haben die Bibliotheken des Kreises dafür einen Fördermittelantrag beim Land gestellt. Damit könnten sie über das Internet 2200 ausländische Zeitungen aus 100 Ländern zum Download anbieten.

„Wenn man diverse Zeitungen auf einer Plattform finden kann, spart das Zeit und man hat eine sichere Suche“, sagt De-Anne Tall, die seit einem Jahr in Velbert lebt. „Selbst würde ich es allerdings nicht nutzen, dafür reichen mir Handy-Apps. Ich würde mir viel mehr fremdsprachige Bücher wünschen. Die englischen Romane, die mich interessieren, habe ich hier alle schon gelesen.“