Bunker sollte einst Bomber anlocken

Ein ganzes Dorf wurde 1941 in Velbert zum Schein errichtet. Es sollte feindliche Flieger von den Krupp-Werken in Essen ablenken.

Bunker sollte einst Bomber anlocken
Foto: Ulrich Bangert

Velbert. Wanderer auf dem Neanderlandsteig finden jetzt unweit der Rottberger Straße eine Historientafel zu der Krupp’schen Nachtscheinanlage. Wer seinen Blick von der Tafel einige hundert Meter weit über die Wiesen schweifen lässt, kann neben einem Hochspannungsmast den Leitbunker der Anlage mehr erahnen als sehen. Wolfgang Erley. Dr. Helmut Grau, Bernd Knop, Jürgen Lohbeck, Josef Niedworok und Sven Polkläser, alles ehrenamtliche Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege im Rheinland, haben mit Hilfe von Förderern dieses Informationsschild aufgestellt. Zuvor hatte die Arbeitsgruppe die Geschichte der Anlage systematisch erforscht.

Jürgen Lohbeck, Denkmalpflege

Auf den Feldern zwischen der Langenberger Straße und der Grenze zu dem ländlichen Werdener Ortsteil Hamm wurde 1941 eine Attrappe der Krupp’schen Gußstahlfabrik in Essen errichtet. Aus einfachsten Baumaterialien wie Holz und Dachpappe wurden Fabrikelemente wie Sheddächer, Schornsteine oder ein Gasometer errichtet. Jürgen Lohbecks Vater, Jahrgang 1928, wuchs am Rande des Gebietes auf und erzählte seinem Sohn von dem „Scheindorf“, wie es im Volksmund hieß. Dabei handelte es sich um eine streng geheime militärische Anlage.

Mit der 1941 errichteten Nachbildung sollten britische Bomber von der Krupp’schen Produktionsstätte in Essen abgelenkt werden. Während dort absolut verdunkelt gearbeitet wurde, sollte mit der Attrappe auf dem Rottberg die Bomber mit ihrer zerstörerischen Fracht angelockt werden. Künstliche Dampfschwaden und dezente Lichteffekte, die Schweißarbeiten, Gießereifeuer oder glühende Schlacke darstellten, sollten einfliegenden Bombermannschaften den Eindruck verschaffen, dass sie ein Ziel vor sich haben.

„Sogar eine zweigleisige Feldbahn mit Diesellokomotiven fuhr im Kreis herum“, weiß Jürgen Lohbeck aus den Berichten des Vaters, während die anderen Hobbyforscher weitere Hinweise zu der Scheinanlage zusammentrugen. Ab 1943 konnten sich die Bomberpiloten besser orientieren und griffen die Industrieanlagen im Ruhrgebiet an. Rund 300 solcher Scheinanlagen gab es im Deutschen Reich, die nach dem Krieg ganz schnell verschwanden. Die Bevölkerung konnte Kupferkabel, Holz und anderes bestens gebrauchen. Von dem Velberter Scheindorf blieb ebenfalls fast nichts übrig.

Die Feldbahnschienen dienen heute noch als Weidezäune, durch einen Zufall blieb aber der Leitstand erhalten. Von dem Bunker aus beobachteten die Ruhrgebietsmannschaften das Geschehen in der Anlage und schalteten die elektrischen Anlagen. Als die britischen Besatzer nach Kriegsende den Bunker sprengen wollten, konnte der Bauer, auf dessen Grundstück der Betonklotz stand, die Offiziere davon überzeugen, dass dieser Bau dringend für landwirtschaftliche Zwecke gebraucht wurde. Diese Bunkeranlage ist in Deutschland eine der ganz wenigen Überreste einer Scheinanlage, historisch einzigartig und ist seit einigen Jahren eingetragenes Denkmal der Stadt Velbert.

Der Bunker befindet sich in Privatbesitz und ist nicht öffentlich zugänglich. Ein Ausnahme wird am Tag des Denkmals am 11. September gemacht: In der Zeit von 10 bis 17 Uhr bieten die ehrenamtliche Denkmalpfleger kompetente Führungen und Erläuterungen an.