Ein Abend mit Rilkes Liebes-Weisheiten
Josef Schoenen rezitierte im Café Schwan aus den Werken des Dichters.
In wachsenden Ringen um seine Heimstätte in Bilk durchkämmt der Künstler Josef Schoenen seit Jahren die Düsseldorfer Region. Seine Streifsuche gilt jenen raren Orten, an denen sich in aller Ruhe seine orchideenhaften Rezitationsabende entfalten können. Inzwischen kann er als Experte im Aufspüren solch lyrikfreundlicher Biotope angesehen werden.
Mitten in der Kalkstadt hat er so das Café Schwan aufgetan: „Ich finde das Örtchen Wülfrath pittoresk und im Schwan herrscht eine sehr liebe Atmosphäre.“ Dort gastierte er nun bereits zum siebten Mal und enthüllte ein erneut frisches Programm namens „Hiersein ist herrlich!“. In diesem huldigt er dem Schaffen des Spätromantikers Rainer Maria Rilke, was ganz im Sinne der Kulturprogrammatik des Cafés und dessen Inhaberin Renate Weisemann steht.
Üblicherweise reist Schoenen zu seinen Auftritten per Bus und Bahn an und schultert dazu seine mächtige Gitarrentasche auf. Man könnte ihn im Vorbeigehen für einen Liedermacher halten, doch er ist vielmehr ein Sprachakrobat und seine eigentlichen Instrumente sind Bücher. Die Saiten lässt er bloß zwischendurch erklingen und ermöglicht damit Konzentrationspausen.
„Rilke ist ein sehr besonderes Herzensanliegen von mir“, sagt Schoenen. Intuitiv hatte er einst in einem Antiquariat nach dem grundlegenden „Stunden-Buch“ gegriffen, in dem — obschon ein Frühwerk — bereits der wesentliche Kern der rilkeschen Mystik zu finden ist: „Ich fühle mich diesem Dichter sehr nah und verbunden.“ Herausgefordert habe ihn auch das vielbeachtete „Rilke Projekt“, für das bekannte Schauspieler die Gedichte auf zeitgenössische Art interpretiert haben.
Schoenen konnte sich daran zum einen Teil begeistern und zum anderen Teil stören. Für eine eigene Darstellung siebte er Stellen aus, welche die Essenz der schwierigen Kulturtechnik des Liebens enthalten. Dichterfürst Rilke widmete sein Leben dem Sinnieren und hinterließ predigthafte Weisheit. Interpret Schoenen gelang dank Innigkeit die Vermittlung der Botschaften. Sei Du selbst, um zur Liebe befähigt zu sein, lautet sein ehernes Credo.