Fall Ersoy S.: Zehn Jahre Haft
Am Dienstag hat das Landgericht Wuppertal Selim K. wegen versuchten Totschlags verurteilt.
Wülfrath/Wuppertal. Zehn Jahre Haft für versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. So lautet das Urteil der 4. Großen Strafkammer des Wuppertaler Landgerichts im Fall Ersoy S. Der Angeklagte Selim K. (26) war in Revision gegangen, nachdem er im Mai vergangenen Jahres bereits zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden war.
Die Kammer sah im Verurteilten den „Spiritus rector“, den Anführer der Tat, bei der der 28-jährige Ersoy S. im April 2010 in Wülfrath durch Messerstiche, Schläge und Tritte ums Leben gekommen war. Eine Drogensucht, die K. zur Erklärung der Tat und Schuldminderung angeführt hatte, konnte nicht nachgewiesen werden. Der Messereinsatz sei aber nicht geplant gewesen, sagte Vorsitzender Richter Ulrich Krege.
Besonders zu seinem Ende hin wurde der Revisionsprozess noch einmal zur Hängepartie. Bevor die Kammer am Dienstag nach acht Verhandlungstagen die Beweisaufnahme schloss, versuchte es Verteidiger Burkhard Benecken noch einmal mit einem Befangenheitsantrag gegen Gutachter Michael Willmann.
Willmann, der bereits im ersten Verfahren als psychiatrischer Sachverständiger beteiligt gewesen war, hatte Selim K. in der vergangenen Sitzung volle Schuldfähigkeit attestiert (die WZ berichtete). Die Kammer wies den Antrag Beneckens allerdings als unbegründet zurück, so dass schließlich Dienstag gegen 14.30 Uhr mit den Plädoyers begonnen werden konnte.
Staatsanwältin Friedel Heuermann beantragte elf Jahre Haft, weil K. trotz seines Alkoholkonsums „kontrolliertes Verhalten am Tatabend“ gezeigt habe und „unglaublich brutal“ mit Schlägen und Tritten gegen Kopf und Hals des Opfers vorgegangen sei. Rechtsanwalt Christoph Pipping, der den Bruder des Opfers als Nebenkläger vertrat, schloss sich der Forderung an. Selim K.’s Geständnis fand Pipping „erbärmlich“, als „Weg, das Urteil für sich selbst erträglicher zu machen“.
Verteidiger Benecken sagte hingegen, dass „das Opfer ohne den Messereinsatz nicht gestorben wäre“ und sah deshalb nicht in seinem Mandanten den Haupttäter, sondern in dem zuvor zu zehn Jahren Haft verurteilten Nayif T., der sich mit dem Messereinsatz im Gerangel mit Ersoy S. habe befreien wollen. „Auch ohne Drogen wäre das Ganze niemals in diese Richtung gegangen“, sagte Benecken, der deshalb auf eine Strafe von fünf bis sechs Jahren wegen versuchten Totschlags plädierte — inklusive Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.
Richter Krege folgte in der Urteilsverkündung in Teilen beiden Plädoyers. Der Messereinsatz sei zwar nicht geplant gewesen und könne K. nicht zugerechnet werden — daher die Strafminderung. „Durch die Brutalität der Schläge und Tritte wäre das Opfer aber vermutlich auch ohne Messerstiche gestorben“, sagte Krege.
Weil Zeugen die vermeintliche Drogensucht des Täters nicht bestätigten, werde K.’s Haft zudem nicht in einer Entziehungsanstalt beginnen, schloss Krege das Verfahren. Die Kosten dafür wird der Verurteilte tragen, außerdem die Auslagen der Nebenklage.