Friseurmeister: Kopfarbeit ist Männersache
In Velbert schneidet der Friseurmeister Hans-Jürgen Halber seit mehr als 40 Jahren Haare — aber nur die von Herren.
Velbert. „Möchten Sie durchkommen oder auf den Chef warten?“ Dirk Becker schaut kurz von seiner Zeitschrift hoch und sagt lächelnd: „Den Chef bitte!“ Laura Halber hat mit der Absage kein Problem: Der Chef ist schließlich ihr Vater. Und Dirk Becker wartet gerne noch die paar Minuten, bis der andere Kunde fertig ist.
Hans-Jürgen Halber stutzt noch mit schnellen Schnitten dessen Augenbrauen, pinselt die Haarreste weg, macht mit dem Rasiermesser die letzte Feinarbeit und greift mit prüfendem Blick zum Spiegel. Der Kunde nickt zufrieden: „Das hält wieder für vier Wochen.“ Tochter Laura kassiert: „Wie immer elf Euro bitte.“ Jetzt ist Dirk Becker dran.
Hans-Jürgen Halbers Reich ist keine 30 Quadratmeter groß und spärlich möbliert: ein Mini-Tresen, ein paar Regale, ein halbes Dutzend Stühle um einen kleinen Glastisch, drei Frisiersessel mit Spiegeln und zwei Waschplätze. Ein paar Bilder an den Wänden, gerahmte Meisterbriefe und Diplome, Neonlicht. Und dennoch fühlt sich Halber pudelwohl.
Hier hat er seine Spezialscheren, Kämme, Bürsten, Trimmer, Rasiermesser — all sein Handwerkszeug, das ihm am Herzen liegt — und seine Stammkunden. Denn Hans-Jürgen Halber ist Friseur aus Leidenschaft — „Herrenfriseur“, wie er betont.
So steht es auch im Schaufenster des kleinen Salons an der Wilhelmstraße im Velberter Stadtteile Neviges. Und man sieht es auch bei den Zeitschriften: Statt Klatsch und Tratsch aus der Welt der Schönen und Reichen dreht sich alles um Sport und PS. Ein älterer Herr fragt durch die halb geöffnete Tür: „Ist der Chef frei?“ Er sieht die Wartenden — „dann komme ich später wieder.“
Termine gibt es nicht. Die treuesten Kunden kommen seit mehr als 40 Jahren zu Hans-Jürgen Halber. Mit 14 hat er in Neviges seine Lehre angefangen, danach bis in die 1980er-Jahre in einem Salon gearbeitet. 1986 haben er und seine Frau Sabine, ebenfalls Friseurmeisterin, sich in Wuppertal selbstständig gemacht.
1999 kehrten sie nach Neviges zurück. „Das hier ist mein zweites Zuhause“, sagt der 59-Jährige und schaut sich in dem kleinen Salon um. „Mir macht der Beruf nicht nur Spaß, er ist auch mein Hobby.“ Und es sei schon immer sein Traum gewesen, einen Herrensalon zu führen.
Seit zehn Jahren habe er keinen Urlaub gemacht. Aber ihm fehle auch nichts. „In diesem Jahr will ich mal fünf Tage im Schwarzwald ausprobieren“, sagt Halber lachend. Ein ganz neues Gefühl für ihn. Eigentlich ist er außer sonntags jeden Tag im Geschäft. „Nur einmal war ich krank und musste sechs Wochen pausieren: Handgelenk und Rippen gebrochen.“ Er hatte Inline-Skates ausprobiert. . .
An dem Einheitspreis von elf Euro für den Herrenhaarschnitt liegt es nicht, dass seine Kunden ihm die Treue halten. „Die sind zufrieden und kommen einfach wieder“, lautet seine einfache Erklärung. Vielleicht liegt es auch an seinem guten Gedächtnis: „Ich kenne alle Kunden — nicht mit Namen, aber deren Köpfe. Die brauchen mir gar nicht zu sagen, welchen Schnitt sie wollen.“
Natürlich kennt er auch die Familienverhältnisse vieler seiner Kunden. „Ich habe die als Babys groß werden gesehen. Und heute kommen sie mit ihren Babys immer noch hierher.“ Andere seien nach Frankfurt, Münster oder auf die Schwäbische Alb verzogen — und kommen dennoch regelmäßig zu ihm, wenn sie in der Nähe sind.
Eine solche Treue sei schön — und er möchte auch Treue zurückgeben. Wenn manche Alte gebrechlich werden und nicht mehr in seinen Salon können, macht er Hausbesuche.