Gesundes Leben darf auch Spaß machen
Während früher in Reformhäusern noch Alkohol verpönt und ungewürzter Tofu die gängige Alternative zu Fleisch war, kommt in modernen Läden wie bei Susanne Faupel der Genuss nicht zu kurz.
Wülfrath. In Susanne Faupels Naturkostladen wird noch so eingekauft, wie vor mehreren Jahrzehnten. Wer das kleine Reich der 53-Jährigen betritt, lässt sich erst einmal beraten und hält ein kleines Schwätzchen. Kaum jemand käme auch auf die Idee, Produkte wie den neuseeländischen Manuka-Honig, dessen Preis sich nach dem antibakteriellen Methylglyoxalgehalt bemisst, kommentarlos auf die Theke zu legen als wäre es eine Packung Kaugummis.
WZ-Serie
Wir sind die City
Faupel, die seit dem 1. Juli 2015 Inhaberin des Naturkostladens „Besser Leben“ am Heumarkt ist, schätzt die persönliche Atmosphäre in der Wülfrather City: „Wenn ich hier am Samstag die Türe öffne und draußen schon die Menschen schwätzen höre, bekomme ich gute Laune.“
Susanne Faupel ist seit 26 Jahren in der Naturkost-Branche tätig, ihre bisherigen Läden waren jedoch in ihrer Heimatstadt Velbert zu finden. Doch mit der Zeit habe sich der Einkaufsstandort zum Negativen entwickelt. Wülfrath empfindet sie als leuchtendes Gegenbeispiel: „Hier ist alles kleiner, schöner und gemütlicher.“ Auch werde mehr für die Geschäftsleute getan.
Lange Jahre war die Wilhelmstraße 102 die Adresse von Ulrike Reeger, die ihr Reformhaus im vergangenen Jahr aus Altersgründen abgegeben hat. Susanne Faupel hat den geschützten Begriff „Reformhaus“, den nur Mitglieder der Neuform Vereinigung Deutscher Reformhäuser tragen dürfen, abgelegt. Das Sortiment in ihrem Naturkostladen ist jedoch ähnlich: Bioprodukte, rezeptfreie Arznei, Naturkosmetik, Tees und exotische Naturprodukte liegen in den Regalen.
Leicht ist das Geschäft heutzutage nicht mehr. „Man muss eine Kämpferin sein — und das bin ich“, sagt Faupel. Sie ärgert es, dass im Laufe der Jahre von den Drogerie- bis zu den Supermärkten alle möglichen Ketten auf den Trend „gesünder Leben“ aufgesprungen sind, der eigentlich einmal eine Nische der Reformhäuser war. „Da steckt ja so wenig Idealismus dahinter“, sagt sie. „Dabei geht’s nur ums Geld.“
Faupel hingegen hat den „grünen Virus“, wie sie scherzhaft sagt, von Kindesbeinen an verinnerlicht. „Das kam über meine Oma, die hat damals viel selbst angebaut. Bei uns hatte später jeder seinen eigenen kleinen Garten“, erzählt die Vegetarierin.
Doch der Wandel der Zeit hat das Reformhaus-Geschäft auch zum Positiven verändert. Faupel verzieht das Gesicht: „Dieser ungewürzte Tofu war ja früher die einzige Alternative zum Fleisch. Der schmeckte furchtbar.“ Heute sind die Hersteller da weiter und bieten unzählige fleischlose Variationen an, vom Soja-Schnitzel bis zur Tofu-Bolognese. Auch war damals Alkohol im Reformhaus verpönt. Faupel ist froh, dass sich da etwas getan hat und sie heute den Kunden einen leckeren Bio-Wein empfehlen kann. Die Einstellung zum bewussten Essen habe sich insgesamt geändert, meint Faupel: „2016 darf gesundes Leben auch Spaß machen.“