Großer Andrang bei Wallfahrt

Bei der Festmesse wurde Kardinal Meisner gedacht, der immer gerne nach Neviges kam.

Foto: U. Bangert

Neviges. Die Festmesse der diesjährigen Mutter-Anna-Wallfahrt stand im Gedenken an den vor einem Monat verstorbenen Erzbischof Kardinal Meisner. Der gebürtige Niederschlesier kam immer gerne nach Neviges, wenn dort die Großmutter Jesu und „Nationalheilige“ Schlesiens verehrt wurde. Er genoss das Treffen mit seinen Landleuten.

Gestern wurde die Messe durch den Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp geleitet, der durch Meisner oft in Ober- und Niederschlesien war und somit der dortigen Kultur sehr verbunden ist. „Aber Mohkließla mag er immer noch nicht“, lacht Monika Schulze. „Das ist eine Süßspeise mit Mohn, gerne mit ein bisschen Rum, das ist tatsächlich nicht jedermanns Sache“, räumt die Geschäftsführerin der Landsmannschaft Schlesien ein, die zur Feier des Tages eine niederschlesische Tracht aus Löwenberg trug.

Damian Spielvogel, der Vorsitzende des Velberter Ortsverbandes der Landsmannschaft der Schlesier, hatte das Gefühl, das selten so viele Besucher kamen wie gestern. Wer meint, dass über 70 Jahre nach Krieg und Vertreibung die Landsmannschaften der Vertriebenen langsam an Bedeutung verlieren, irrt. „Wir haben mehr Neueintritte als Sterbefälle“, registriert Stephan Rauhut, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien. „Die Generation der Enkel und Urenkel macht sich auf, zu erkunden, wo Eltern oder Großeltern herkommen. In der Schule wird das Thema nicht behandelt, die Kontroversen der Ostpolitik in 70er Jahren haben sie nicht erlebt.

Es gibt zu diesem Thema einen lebhaften Austausch von Studenten zwischen Deutschland und dem heutigen Polen.“ Das vereinigte Europa sieht der Chef der Landsmannschaft, die lange Zeit als revanchistisch galt, sehr positiv: „Wir leben als Schlesier intensiv Europa. Wir sind Experten darin, ähnlich wie die deutsch-französische Freundschaft, aber das wurde so nicht wahrgenommen.“

Rauhut erinnert daran, dass die Schlesier nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen Hilfstransporte organisiert hatten, die nicht nur den deutschstämmigen Bewohnern zu Gute kamen. Die schätzungsweise 350 000 Deutschen in Polen genießen den EU-weit geltenden Minderheitenschutz. „Ich finde es gut, dass wir wieder nach Polen fahren und uns dort auch wieder ansiedeln können. In einem gemeinsamem Europa der Volksgruppen braucht es keine Grenzen.“

Allerdings hat der Bundesvorsitzende den Eindruck, dass sich die Bundesregierung nicht traut, offensiv die Interessen der deutschen Minderheit zu vertreten. „Bundeskanzlerin Merkel hat sich erst in diesem Jahr mit den Deutschen in Polen getroffen - ein bisschen spät, wie ich finde.“

In die schlesische Kirmes zwischen den Andachten mischten sich Nevigeser Einheimische: „Ich komme wegen der Musik und der schönen schlesischen Trachten der Frauen und Bergleute, dazu trifft man Bekannte“, so Antje Grotegut und zeigt auf Luzie Cerny. Die mittlerweile über 90-Jährige kam über Umwege vor 62 Jahren in den Wallfahrtsort. „Ich stamme aus Hindenburg, da gab es elf Zechen, ich kam mir hier zuerst wie in einem Kurort vor.“ Inzwischen ist sie „einbürgert“, wie die Nevigeser Bekannten bezeugen. Überhaupt scheint die rheinische Lebensart auf die Schlesier über gesprungen zu sein: Als das Blasorchester das Lied „Rut sin de Ruse“ anstimmt, wird geschunkelt.