Neviges Junge Tönisheiderin betreut isländische Kinder zwischen Polarlicht und Mitsommer
Neviges. · Der Abschied kam schnell und unerwartet. Eigentlich hatte die Tönisheiderin ihre Islandpläne schon abgehakt, als sie im August vergangenen Jahres Post von ihrer künftigen Gastfamilie erhielt: „Dann ging alles sehr schnell“, erinnert sich die 21-Jährige, die nach kurzem Briefwechsel die Koffer packte und am 24. September auf die Vulkaninsel im Nordatlantik flog: „Ich wollte immer schon nach Island, habe sogar überlegt, dort zu studieren.“
Nun lebt sie in Kópavogur in der Metropolregion Reykjavik, mit rund 37 000 Einwohnern zweitgrößte Gemeinde Islands, kümmert sich vornehmlich um die beiden Mädchen ihrer Gastfamilie, Edda, neun, und Anna, elf Jahre alt. Sie bereitet sie morgens für die Schule vor, kümmert sich um Lukka, eine alte Labradordame, macht Hausaufgaben mit den Mädchen, wenn sie mittags nach Hause kommen und begleitet sie zu diversen Aktivitäten wie Schwimmen, Skifahren oder Musikunterricht.
Per Internet wird Kontakt mit Eltern und Freunden gehalten
Verständigungsprobleme gibt es fast keine: „Wenn ich dabei bin, spricht die Familie ausschließlich englisch“, berichtet Leni, wie Familie und Freunde sie nennen. Die Große sei darin fast perfekt, und auch die Kleine spreche die Sprache heute fast flüssig. Sie selber verstehe nach zwei Sprachkursen und einem Dreivierteljahr eine ganze Menge Isländisch: „Beim Sprechen reicht es für einfache Sätze“, sagt die junge Tönisheiderin schmunzelnd im Skype-Interview mit der WZ. Über diesen Weg hält sie auch Kontakt mit Eltern und Freunden, unter anderem von der Taekwondo-Gruppe des NTV. Besonders gern hat sie Kinder zum Ski-Training gebracht, denn während die Mädchen auf den Brettern übten, konnte sich die begeisterte Snowboarderin in einem der schneereichsten Winter der vergangenen Jahre selber bis zu vier Mal pro Woche auf der Piste austoben.
Dann kam Corona... „Das lief allerdings sehr entspannt“, erinnert sich die Tönisheiderin. Zwar wurden alle Kontakte heruntergefahren, die Gasteltern machten Home-Office: „Es gab aber zum Beispiel keine Hamsterkäufe.“ Die Schule stellte auf Schichtbetrieb um – die Kleine ging morgens, die Große nachmittags zum Unterricht. Alle Freizeitaktivitäten wie Sport waren gestrichen, deshalb war Leni mit den Mädchen fast jeden Tag draußen, am See oder am Meer, beides quasi um die Ecke: „Außerdem haben wir unendlich viel getöttert, gebastelt, gemalt, gespielt und gebacken.“ Inzwischen ist vieles wieder gelockert, die Mädchen gehen seit Mai wieder regulär zur Schule. Auch mit dem Abstandhalten ist es nicht mehr weit her, was sich allerdings angesichts geringer Infektionszahlen, mit weit verteilten 350 000 Einwohnern und einer drastischen Zugangskontrolle ins Land erklärt. So hat die Tönisheiderin in den vergangenen Wochen einige Sightseeing-Touren über die faszinierende Insel nachgeholt. Auch die zur Zeit endlosen Tage begeistern sie: „Es wird überhaupt nicht dunkel. Allerdings sollte man die Uhr im Auge behalten, besonders, wenn man morgens früh raus muss. Sonst vergisst man völlig schlafen zu gehen.“
Der Winter war nicht weniger spannend, wenn die Sonne mittags nur kurz über den Horizont kroch: „Ich habe viele Polarlichter gesehen!“ Merkwürdig seien ihr Geburtstag im November, Weihnachten und der Jahreswechsel gewesen „Es war nicht nur das erste Mal ohne meine Familie, hier wird auch völlig anders gefeiert.“ Eine schöne Abwechslung bot da der Besuch der Eltern, selber eingefleischte Islandfans. Was ihr an den Isländern besonders gefällt, ist deren Spontanität. Weniger entspannt findet Leni Atzwanger die Preise auf Island: „Für deutsche Verhältnisse ist das Leben hier ganz schön teuer.“
Nun steht im Juli die Heimreise an. Nachdem Corona den ursprünglichen Flugplan mit Zwischenstopp in Oslo völlig durcheinander warf, kann die 21-Jährige unerwartet per Direktflug von Reykjavik nach Düsseldorf heimkehren. Dem Abschied sieht sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen: „Natürlich freue ich mich, Familie und Freunde wiederzusehen.“ Sie werde aber Island, ihre Gastfamilie und ihre neuen Freunde sehr vermissen.