Kinderarmut breitet sich aus
545 Mädchen und Jungen leben in Wülfrath unter der Armutsgrenze. Die Initiative „Wülfrather Kinder in Not“ kümmert sich.
Wülfrath. Wenn Menschen in Not sind, helfen Wülfrather gerne. Ihre Spendenbereitschaft für die in der Kalkstadt aufgenommen Flüchtlinge sprengte jüngst die Lagerkapazitäten. Doch bei allem Engagement, das der Strom der Asylsuchenden abverlangt, droht das Problem alltäglicher Bedürftigkeit momentan ausgeblendet zu werden.
Die Kinderarmut ist in Wülfrath ein stetig wachsendes Problem. Das wurde jetzt bei einer Veranstaltung des Frauennetzwerkes deutlich. Auf Einladung der Gleichstellungsbeauftragten Gudula Kohn beleuchtete Wolfgang Peetz, Vorsitzender des örtlichen Deutschen Roten Kreuzes, die Situation und stellte die Initiative für Kinder in Not unter dem Dach des DRK vor. Was über deren Hilfeleistungen hinaus noch getan werden kann, auch dafür wurden an dem Abend im Ratssaal erste Ideen gesammelt.
„Wir sind stolz darauf, dass es in Wülfrath kein Kind gibt, das aus finanziellen Gründen nicht am Sommerferienspaß teilnehmen kann, oder, weil es ihm an der entsprechenden Kleidung fehlt, frierend in die Kita kommt. Aus Geldmangel muss kein Kind auf ein Mittagessen verzichten“, bilanzierte Peetz zehn Jahre Arbeit. Dafür wurden mehr als 300 000 Euro an Spendengeldern zur Verfügung gestellt.
Und dennoch: Von Armut betroffen sind immer mehr Kinder. Als „Wülfrather Kinder in Not“ gegründet wurde, gab es 215 unter 18-Jährige, die von Sozialhilfe lebten. Heute gibt es mindestens 545 Kinder, die unter der Armutsgrenze leben. Das heißt, 15 Prozent der 3635 Minderjährigen gehören Familien an, denen weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung steht. Wülfrath liegt damit im Bundestrend.
50 Euro pro Monat kostet das Kita- oder Schulmittagessen pro Kind. 30 Euro werden bei Bedarf aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes bezahlt. „Für derzeit 120 Kinder übernehmen wir monatlich die fehlenden 20 Euro, weil die Eltern sie sonst abmelden würden“, erklärte Peetz. Das Essen sei die Eintrittskarte für die Betreuung am Nachmittag in der Offenen Ganztagsschule. Nur Bildung führe raus aus der Armut. „Unser Anliegen ist in den Köpfen und Herzen angekommen“, sagte Peetz. Dank des stabilen Spendenaufkommens könne man jedes Kind mit bis zu 300 Euro im Jahr unterstützen. Barauszahlungen an Eltern gibt es nicht. Die Anträge müssen Institutionen stellen.
„Schenken Sie den Kindern Zeit. Hören Sie ihnen zu, basteln und lesen Sie mit ihnen“, warb Kurtula Gößl vom Förderverein der Grundschule Ellenbeek dafür, Helfer in den offenen Ganztagsbetrieb einzubinden. Kochkurse für Eltern und Kinder, kostenlose Nachhilfe, Bücherkisten und Spendendosen aufstellen sowie ein Fest gegen Kinderarmut, sind weitere Ideen, die es jetzt zu konkretisieren gilt.