Wülfrath Schlagabtausch um Klimanotstand
Wülfrath/Erkrath. · Die Ausrufung des Klimanotstands bedeutet, Überlegungen zum Klimaschutz in der Stadt bei künftigen politischen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Nach der Sitzung des Umweltausschusses der Stadt Wülfrath sind offenbar noch mehr Fragen offen als beantwortet. Mit den Stimmen von SPD, Grünen, der Linken und der Wülfrather Gruppe hatte der Ausschuss dem Rat der Stadt Wülfrath empfohlen, die von der Gruppe von „Fridays for Future“ (FFF) in Wülfrath angeregte Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes zu unterstützen. Der Rat wird in seiner Sitzung vom 9. Juli über dieses Thema beraten.
CDU-Ratsfraktion stellt sich gegen einen „symbolischen Beschluss“
CDU und FDP hatten Beratungsbedarf angemeldet, was den politischen Gepflogenheiten zufolge eigentlich zu einer Vertagung des Themas in die nächste Sitzung des Ausschusses hätte führen müssen. Die übrigen Politiker aber überstimmten die bürgerlichen Fraktionen. „Parteitaktisches Kalkül“, urteilte Martin Sträßer, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion und Landtagsabgeordneter, am nächsten Tag in einer Mitteilung und spricht von einer „gegenwärtigen euphorischen Phase“, die das Thema derzeit erfahre. Zugleich wiederholt er Bedenken, dass ein „symbolischer Beschluss zum ,Klimanotstand’“ zu wenig sei.
Sträßer rechnet vor, dass die Stadt Wülfrath zwischen 1990 und 2017 den Ausstoß des als Klimagift eingestuften Kohlendioxids (CO2) bereits um 47,2 Prozent reduziert haben dürfte. Zugleich aber sei die Stadtverwaltung mit Gebäuden und Fahrzeugen lediglich zu 1,9 Prozent am gesamten Wülfrather CO2-Ausstoß beteiligt. Würden Energieverbrauch und CO2-Ausstoß bis 2030 halbiert, „dann hätte dies auf den Gesamtausstoß der Stadt bezogen eine Minderung um weniger als einen Prozentpunkt zur Folge“, rechnet Sträßer vor.
Daher plädiere die CDU dafür, genau zu überlegen, welche Maßnahmen vor Ort Sinn machen, welche schnell umsetzbar sind und was dafür getan werden muss. „Ich hoffe, dass die zuvor genannten Berechnungen erkennen lassen, dass die Wülfrather CDU nicht versucht, das Thema zu vertagen, sondern dass wir uns ernsthaft und tiefer gehend damit beschäftigen“, appelliert Sträßer. „Klimanotstand“ – Wülfrath wäre nicht die erste Kommune in NRW, die ihn ausriefe. Münster und Kleve haben es auch schon getan. In Erkrath wird ebenfalls bald ein entsprechender Bürgerantrag diskutiert. Dabei ist der Begriff durchaus irreführend: „Notstand“ bedeutet nicht, dass mit dem Beschluss besondere Befugnisse einher gehen würden.
Klimaneutralität soll in politische Entscheidungen einfließen
Der Klimanotstand räumt den Kommunen keine Sonderrechte ein, mit denen Bürger, Gewerbetreibende oder Unternehmer zu klimaschonendem Verhalten gezwungen werden könnten. Vielmehr geht es darum, künftig bei allen politischen Entscheidungen auf Klimaneutralität hinzuwirken. „Die Kommunen in Deutschland haben mit Abstand die meisten Immobilien und über ihr Baurecht direkten Einfluss auf neue private Bebauung. Ohne ihre Beteiligung werden die deutschen Klimaziele kaum erreichbar sein“, erläutert Stephan Mristik (Grüne) den Sinn des Klimanotstandes. Wie das gehen kann, darin ist sich jedoch auch die Verwaltung noch nicht sicher. „Wir brauchen eine Klärung dieser Definition. Wir sind dabei, das herauszufinden“, sagt Franca Calvano, Sprecherin der Stadt Wülfrath und deutet an, dass dafür auch weitere Gespräche mit den FFF-Aktiven nötig sein werden.
Die wiederum wissen, was sie wollen: Sie fordern ein „sofortiges Betonverbot für alle momentanen und geplanten Bauprojekte“, pro Jahr zehn Prozent Photovoltaik-Zubau auf allen sinnvollen Dachflächen, pro Jahr eine energetische Sanierungsrate von zehn Prozent für alle Gebäude mit dem Ziel sie bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu betreiben. Alle städtischen Fahrzeuge sollten ohne Verbrennungsmotor laufen. Die Nutzung von erneuerbarer Energie im Industriegebiet soll gefördert und weitere Ladestationen für E-Autos müssen eingerichtet werden.