Mehr als nur Kirchenmusik
Die Gruppe „Fünf Brote und zwei Fische“ blickt auf fast 40 Jahre mit Touren und Tragicals zurück.
Wülfrath. Ja, die Formierung der Gruppe „Fünf Brote und zwei Fische“ ist schon eine Weile her. Als bekannte Größen wie Metallica oder The Police noch kein einziges Album auf dem Markt hatten, gründete sich bereits Wülfraths wohl älteste Band. 1977 gab es ein Problem beim großen Jugendchor der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde. Der damalige Pfarrer Klaus-Peter Rex (70) erinnert sich: „Viele Mädchen wollten nicht mit den Jungen singen.“ Also nahm sich Rex die Jungen — sowie Mädchen, die auch nicht unterkamen — und gründete eine ökumenische Band. Zunächst spielten Rex und die Jugendlichen kirchliche Musik, aber passend zum Namen, der auf die biblische Geschichte von der Brotvermehrung Bezug nimmt, wurde im Laufe der Jahre aus wenig viel mehr.
Rex schätzt, dass über die Jahrzehnte 70 Leute bei den „Fünf Broten“ ihre Finger im Spiel hatten, unter anderem so bekannte Namen wie Markus Hoffmeister oder Sven Martin. Zu Beginn gestaltete die Gruppe ganze Gottesdienste, was dazu führte, dass zu gewissen kirchlichen Themen selbst Lieder geschrieben werden mussten. Aus kleinen Musikspielen wurden richtige Musicals, etwa über den Prophet Daniel (1988) oder Martin Luther King (1991). „Die Sacropop-Bewegung der 70er und 80er Jahre hat uns sicherlich beeinflusst“, sagt das langjährige Bandmitglied Holger Mergard (48). „Wobei der klassische Sacropop eigentlich schauderhaft ist.“ Doch die Wülfrather Kompositionen hätten immer den Anspruch gehabt, nicht ganz so simpel aufgebaut zu sein, wie die herkömmliche christliche Popmusik. „Das ist kein 08/15-Mist“, sagt Mergard.
Im Verlauf der Bandgeschichte erlebten die Beteiligten zahlreiche Auftritte, die sie nachhaltig prägten. Da waren etwa die drei Konzerte in Israel. 2004 führten sie in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ihr Tragical „Janusz Korczak“ (1997) auf, das sie bislang rund 50 Mal live gespielt haben. Der Stoff beschäftigt sich mit dem Leben eines jüdischen Arztes, der während des Zweiten Weltkriegs ein Kinderheim im Warschauer Ghetto leitete. Rex erinnert sich: „Im Publikum waren hauptsächlich Überlebende der Shoa. Die hielten es teilweise nicht aus und liefen raus.“ Zu seiner Freude kamen jedoch viele wieder. Eindrücklich blieb den Musikern auch ein Vorfall nach dem Auftritt in Erinnerung. Der Jude Itzchak Belfer hatte eine Nachricht für die Band hinterlassen. Der fiktive Stoff hatte ihn nachdrücklich berührt. „Der alte Mann sagte uns später: ,Ihr spielt da mein Leben’“, so Rex.
Den größten Auftritt hatten die „Fünf Brote“ im Zirkus Krone vor etwa 3000 Zuschauern, weitere Gigs führten die Wülfrather nach Brüssel, London, Stockholm, Kopenhagen und nach Lettland.
Heute ist die Zeit der großen Touren vorbei. Das siebenköpfige Kernteam mit Gitarre, Bass, Keyboard, Gesang, Querflöte und Schlagzeug absolvierte 2016 vier Auftritte — davor noch weniger. „Das hängt immer davon ab, in welcher Lebensphase sich die Bandmitglieder befinden“, erklärt Mergard den Zeitmangel. Doch ein großer Termin steht bereits für 2017: Zum Kirchentag Ende Mai in Berlin spielen sie noch einmal Janusz Korczak.