Neviges Nach 350 Jahren endet in Neviges eine Ära

Neviges · Die Franziskaner, die Neviges über die Jahrhunderte geprägt haben, wurden mit einer feierlichen Messe in der Wallfahrtskirche verabschiedet.

Weihbischof Dominikus Schwaderlapp zelebrierte den Abschiedsgottesdienst im Mariendom.

Foto: Fries, Stefan (fri)

. Selten war der Mariendom so voll, wohl nie zuvor war der Anlass so bedeutungsschwer wie gestern: Wie angekündigt, hat der Orden unter dem Druck sinkender Mitgliederzahlen die Seelsorge in Pfarrei und Wallfahrt sowie den Standort Neviges zum Jahreswechsel aufgegeben. Im Rahmen eines festlichen Gottesdienstes, den er Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp zelebrierte, wurden die Franziskaner nun verabschiedet. Der Trauer um den Verlust – die Franziskaner waren über die Jahrhunderte durch alle Unbilden der Geschichte, von Kriegen bis zur Kulturrevolution, eine feste Konstante im Leben des Ortes – und der Unsicherheit, wie es weitergeht, standen Worte der Aufmunterung und Zuversicht gegenüber.

Es war eine nicht enden wollende Prozession, die in den Mariendom einzog. Den Fahnenträgern der katholischen Gemeinde folgten 49 Messdiener und mehr als 20 Priester, darunter zahlreiche ehemalige Seelsorger: Bruder Othmar Brüggemann und Pater Bernardin Schröder, Bruder Frank Krampf und Bruder Damian Bieger, der in Neviges sein Postulat absolvierte, zum Priester geweiht wurde und später als Kaplan und Pfarrer tätig war.

Weihbischof überbrachte den Dank von Kardinal Woelki

Manche waren schon am Vortag angereist, um still und persönlich Abschied zu nehmen. Aus dem benachbarten Bistum Essen überbrachte Weihbischof Wilhelm Zimmermann die Grüße von Ruhrbischof Overbeck. Er war ebenso Konzelebrant wie der Leiter des Ordens, Cornelius Bohl, der aktuelle Pfarrverwalter, Kreisdechant Daniel Schilling, sowie die Nevigeser Patres Dietmar Brüggemann, Jakobus-Maria Raschko und Paul Waldmüller. „Das Wirken der Franziskaner hat Spuren in den Seelen der Menschen hinterlassen. Wir wollen nach Kräften dafür sorgen, dass es gut weitergeht in Neviges, dass das, was die Franziskaner über Generationen gepflanzt haben, weiterlebt“, versicherte Schwaderlapp, der im Namen von Kardinal Woelki den Ordensbrüdern Dank sagte. Auch für das Erzbistum sei deren Abschied sehr schmerzvoll.

Für den Pfarrgemeinderat überreichte Tekla Lukannek den scheidenden Brüdern von den Kindern der Kitas selbstgebastelte Kalender und Schreibtischunterlagen, damit ihnen die Gemeinde über den Abschied hinaus in Erinnerung bleibe. Außerdem gab sie Provinzialminister Cornelius Bohl das Versprechen, die Gräber der in Neviges bestatteten Franziskaner in Ehren zu halten.

„Gegen die Nacht können wir nicht ankämpfen, aber wir können ein Licht anzünden“, zitierte Bürgermeister Dirk Lukrafka den Heiligen Franziskus. Er rief dazu auf, aktiv und gemeinsam an der Zukunft zu arbeiten: Gerade die Gemeinde in Neviges und Tönisheide zeichne sich durch gelebte Solidarität aus und sei außerordentlich engagiert. Vor allen Beteiligten liege eine große Herausforderung, sagte Lukrafka, der auch mit einem Zitat von Franziskus schloss: „Tue erst das Notwendige, dann das Mögliche, dann schaffst Du das Unmögliche.“ Neben der Verabschiedung gab es auch Formalien: So überreichte Weihbischof Schwaderlapp die Urkunde über die Aufhebung des Klosters an Provinzialminister Cornelius Bohl.

Der erinnerte an die Marienerscheinung des Dorstener Franziskaners Antonius Schirley von 1676, die als Ursprung der Wallfahrt gilt: „Bring mich nach dem Hardenberge“, hieß es damals, und deshalb bleibe das berühmte Marienbild, das eigentlich Eigentum der Franziskaner ist, natürlich in Neviges. Bohl überreichte es an Kreisdechant Schilling, der bis auf weiteres für Pfarrei und Wallfahrt zuständig ist. „Nun ist der Tag da, den wir alle nicht haben wollten“, sagte Schilling und machte der Gemeinde mit einem Wort Dag Hammarskjöld Mut, die Herausforderungen, die sich aus dem Abschied ergeben, anzunehmen: „Dem Vergangenen Dank, dem Kommenden: Ja!“ In Tönisheide aufgewachsen, sei auch er von den Franziskanern geprägt worden. So habe er selber dem Orden beitreten wollen: „Gott sei Dank habe ich das nicht getan – sonst müsste ich jetzt auch gehen“, fügte er zur Erheiterung der Besucher hinzu. Schilling erinnerte an das Potenzial der Gemeinde, an die Menschen, die sich von den Gremien über die Messdiener bis zu den Chören einbringen, die Gemeinde ausmachen: „Wir tragen im Herzen den Dank für das, was war, aber nun gehen wir weiter.“

Beim anschließenden Empfang in der „Glocke“ gab es Gelegenheit, sich persönlich von den Franziskanern zu verabschieden – es waren so viele, dass es kaum ein Durchkommen gab. Voller Dank ist Nicole Erpelding, die Bruder Damian seinerzeit mit dem Wortgottesdienst für die Schulkinder betraut hatte: „Das hat mich motiviert, Theologie und Religionspädagogik zu studieren“, sagt die Tönisheiderin, die heute als Religionslehrerin arbeitet.

Unter den Messdienern herrschte niedergeschlagene Stimmung

Messdiener Yannick Rossi, der beim Einzug das Kreuz vorantrug, erinnerte sich, wie die Schließung der Kirche „Christi Auferstehung“ bekanntgegeben wurde: „Heute ist auch etwas endgültig beendet worden“, sagte er traurig. Auch die Stimmung bei den zahlreichen Messdienern sei nach der Messe niedergeschlagen gewesen. „Ökumene in Neviges war für mich immer Ökumene mit den Franziskanern, sagte Detlef Gruber, Pfarrer der evangelischen Nachbarn. Die guten Kontakte zur katholischen Gemeinde werden erhalten bleiben, ist er sich sicher: „Wir sind aber genauso gespannt, wer in Neviges weitermacht.“

Mit einer Vesper am Abend endete die Verabschiedung, in den nächsten Tagen werden die Brüder das Kloster verlassen und an neuen Standorten von Dorsten bis Jerusalem neue Aufgaben übernehmen.