Prozess: Wie stark war die Drogenabhängigkeit?

Im Prozess gegen Selim K. sagt ein Rechtsmediziner vor dem Landgericht aus: „Kein chronischer Konsument.“

Wülfrath. Der Prozess gegen Selim K. und Mark S. vor der 4. Strafkammer des Landgerichts Wuppertal spitzt sich auf eine Frage zu: Wie groß war die Abhängigkeit des mutmaßlichen Haupttäters Selim K. — und welche Rolle hat der Betäubungsmittelmissbrauch bei der Tat gespielt, bei der Ersoy S. vor zwei Jahren ums Leben kam?

Schon jetzt ist absehbar, dass für Mark S. das Verfahren am kommenden Donnerstag vorläufig ein Ende haben wird. Da herrschte am Dienstag am dritten Verhandlungstag Einigkeit unter den Prozessbeteiligten. Ihn — der im ersten Verfahren eine Bewährungsstrafe erhalten hatte und mittlerweile eine Kfz-Mechatroniker-Ausbildung absolviert — betrifft das nach K.’s Revisionserfolg nicht mehr.

Drogen in Wülfrath zu erhalten und zu erwerben — das scheint kein großes Problem zu sein. Diesen Eindruck muss man nach den Aussagen der Zeugin T. gewinnen. Sie war an dem Tattag im April 2010 rund 60 Minuten mit den drei Männern zusammen, die später Ersoy S. überfielen. Es wurde getrunken. Es wurde Marihuana geraucht. Erst am ehemaligen Krankenhaus, später im Stadtpark. „Alle hatten was getrunken“, sagte sie. Sie selbst hatte das Gefühl, „dass die drei angetrunken sind“.

Alkoholkonsum sei nicht die Regel gewesen, betonte sie, Marihuana-Konsum dagegen schon. Drogen hätte man immer gehabt. „Das war kein Problem.“ Selim K. sei aber nicht immer dabei gewesen. Dieser habe zwar auch mal gesagt, dass er mit der „ganzen Sache“ — nämlich dem Drogenkonsum — aufhören müsse. „Unternommen hat er aber nichts.“

Rund 15 Stunden nach der Tat wurde K. eine Blutprobe entnommen, deren toxikologischen Befund ein Rechtsmediziner erläuterte. So konnte der Cannabis-Konsum nachgewiesen werden. Die vorliegenden Ergebnisse, sagte der Experte, würden aber nicht auf einen dauerhaften Missbrauch hinweisen: „Demnach ist er kein chronischer Konsument.“

Weitere Zeugen, die Aufschluss hätten geben können, fehlten unentschuldigt: Vorarbeiter und Meister aus der Velberter Firma, in der K. bis zu seiner Festnahme tätig war, sowie sein ehemaliger Berufsschullehrer. Der Vorsitzende Richter Ulrich Krege war entsprechend verärgert: „Das ist unbegreiflich.“