Sucht ist wie ein Leben im Hamsterrad
Katja Neveling, Leiterin der Caritas-Suchthilfe, spricht über Drogen und die Folgen der Sucht.
Geht es um den klassischen Drogensüchtigen, hatte man früher den „Fixer an der Nadel“ vor Augen. Das Bild hat sich doch mittlerweile gewandelt, oder?
Katja Neveling: Ja, das stimmt. Es gibt kaum noch Abhängige, die nur Heroin konsumieren. Mischkonsum mit anderen Substanzen ist wesentlich häufiger zu beobachten. Viele langjährig Opiatabhängige bekommen mittlerweile Methadon unter ärztlicher Kontrolle.
Heroin war üblicherweise eher eine „Ausstiegsdroge“. Abhängige rutschten ziemlich bald über Beschaffungskriminalität oder Prostitution ins gesellschaftliche Abseits. Schaut man heute auf so manchen Konsumenten von Crystal Meth, so scheint es doch oft gerade darum zu gehen, weiter im Hamsterrad mithalten zu können?
Neveling: Am Anfang geht es tatsächlich auch um Leistungssteigerung. Allerdings folgen auf die schnelle psychische Anhängigkeit auch ziemlich bald körperliche und psychische Störungen wie Depressionen, Hautentzündungen oder Herzrhythmusstörungen. Nicht jeder Abhängige kann sich den Drogenkonsum leisten, auch hier gibt es Beschaffungskriminalität und Prostitution.
Party- und Lifestyle-Drogen sind weit verbreitet. Offenbar lässt sich der Konsum ziemlich lange zumindest soweit unter Kontrolle halten, dass man den gewohnten Alltag noch geregelt bekommt?
Neveling: Der Konsum von Party- und Lifestyledrogen findet häufig nur am Wochenende statt und ist oft an bestimmte Lebensphasen gebunden. Nicht jeder Konsument muss zwangsläufig eine Abhängigkeitserkrankung entwickeln.
Was sagen Sie denjenigen, die Ihnen eine Abhängigkeit von Aufputschmitteln gestehen und von der Angst getrieben sind, es ohne in der Leistungsgesellschaft nicht mehr zu schaffen?
Neveling: Für solche Diskussionen ist es oft zu spät, wenn die Leute zu uns kommen. Arbeitsplatzverlust, Führerscheinentzug, kaputte Beziehung: Meist ist schon ein erhebliches Leid durch den Drogenkonsum entstanden. Der Leistungseinbruch ist also längst schon da.
Und was raten Sie den Betroffenen in einer solchen Krise?
Neveling: Meist geht es dann nur noch mit Abstinenz. Wir sprechen über Stressfaktoren und die Möglichkeiten, den Alltag zu verändern. Ohne Ausstieg aus dem Hamsterrad geht das oft nicht.
Der Grünen-Politiker Volker Beck war der letzte, aber nicht der erste Bundestagsabgeordnete, der mit Crystal Meth erwischt wurde. Erschweren derart prominente Protagonisten die Arbeit bei der Suchtberatung?
Neveling: Die Menschen, die zu uns kommen, sind in der Regel sehr mit sich selbst beschäftigt und schauen nicht auf Andere. Durch prominente Fälle wird eher klar, dass jeder davon betroffen sein kann und niemand Scham- oder Schuldgefühle haben sollte.
Was halten Sie eigentlich von E-Zigaretten? Einstieg in die Nikotinsucht oder eine gute Möglichkeit, den Tabakkonsum zu umgehen?
Neveling: Schon das Ritual, zur Entspannung — was auch immer — zu rauchen, kann ein Einstieg in die Nikotinsucht sein. Vor allem dann, wenn nikotinhaltige Liquids geraucht werden. Abgesehen davon sind die gesundheitlichen Langzeitfolgen noch nicht ausreichend untersucht.