Ratingen. Der Theaterbesucher - das unbekannte Wesen: Vor sechs Jahren hat man sich im Kulturamt den Kopf darüber zerbrochen, mit welchen Werken man die Theaterringe bestücken sollte. Damals standen die leichte Muse und Musicals besonders hoch im Kurs. Klassische Bühnenliteratur war offenbar weniger gefragt, was sich auch in den Abonnementzahlen spiegelte. Also begann man, den "klassischen" Theaterring I umzukrempeln: Neben drei Klassikern wurde ein Komödie, ein Ballett und ein modernes Stück ins Programm aufgenommen.
Fünf Jahre später ändern sich die Vorlieben schon wieder
Im vergangenen Jahr kam dann die Überraschung: Nachdem man die rund 1000 Abonnenten nach ihren Vorlieben und Wünschen gefragt hatte, stellte sich heraus, dass mehr klassische Werke gespielt werden sollten. Die Programmplaner mussten wieder umdenken und nach weiteren Klassikern suchen. Wobei sie keinen großen Spielraum hatten, weil der finanzielle Rahmen unverändert blieb - bei gestiegenen Kosten. Ein Theaterabend schlägt immerhin je nach Ensemble und Stück mit zwischen 6000 und 12 000 Euro zu Buche. Da bei der Qualität keine Abstriche gemacht werden sollen und Preiserhöhungen tabu waren, wird jetzt bei den Sonderveranstaltungen auf etwas kleinerer Flamme gekocht.
Ein echter Klassiker eröffnete jetzt die neue Spielzeit
Mit dem Klassiker schlechthin wurde am Dienstagabend die aktuelle Spielzeit 2007/2008 eröffnet: William Shakespeares "Romeo und Julia". Und dann noch in einer solchen Inszenierung! Das Werk wurde so oft gespielt, zitiert und parodiert, dass es längst Gemeingut ist und genau so spielte das Ensemble die Blaupause für alle tragischen Liebegeschichten auch. Schon der Prolog wurde nach wenigen Momenten unterbrochen, um gleich zu Anfang mit allen Konventionen und Erwartungshaltungen abzurechnen: Bunt und lebendig sollte der Klassiker daherkommen, das pralle Leben darstellen statt verstaubte Theaterkonvention. Eine Prise Provokation darf da natürlich nicht fehlen und so wurde keine Gelegenheit ausgelassen, zweideutige Stellen aufs eindeutigste auszureizen, elegante Duelle durch Slapstickprügeleien wie bei Bud Spencer zu ersetzen oder eine groteske Karaoke-Einlage einzubauen. Natürlich läuft dieser Kamikaze-Stil Gefahr, das Wesentliche des Stückes aus dem Auge und sich in Oberflächlichkeiten zu verlieren. Im Falle von Regisseur Christoph Brück aber hieß es: "Gefahr erkannt - Gefahr gebannt". Gerade die Charakterzeichnung gestaltete sich überraschend gradlinig und nachvollziehbar, die beiden Titelfiguren waren so nah am Leben, dass man mit einem Schlag alle missratenen Inszenierungen des Stückes vergessen wollte. Nicht wenig trug die sorgfältige Bearbeitung des Textes bei, die den klassischen Zeilen immer wieder moderne Einwürfe und Ergänzungen beifügte, die nur selten gewollt oder gestellt wirkten, sondern zumeist eine klare Sicht auf die Motivation der Figuren freigab. Letztlich getragen wurde das Ganze jedoch von einem hervorragenden, motivierten Ensemble, das dem eigenwilligen Regiekonzept folgend eine frische und undogmatische Klassikerinszenierung ermöglichte.