Überforderte Familien rufen um Hilfe

Die Beratungsfälle für die Hilfen zur Erziehung steigen und belasten so den Haushalt der Stadt zusätzlich.

Wülfrath. Irgendwann reicht es. Das ewige Meckern, die ganzen Regeln, die anhaltende Kritik: „Der Druck auf dem Kessel muss nur groß genug sein, dann kommt der Hilferuf“, sagt Diplom-Sozialpädagoge Jörg Böttcher. Immer häufiger, fügt Michaele Berster, Fachbereichsleiterin Jugendhilfe, hinzu, wenden sich Mädchen und Jungen an die Stadt, „wenn es in der Familie nicht mehr stimmt“. Das städtische Familienkrisenmanagement — die Hilfen zur Erziehung — sind mehr gefragt denn je. Und die Ausgaben belasten zunehmend den Haushalt.

1,45 Millionen Euro sind in diesem Jahr für ambulante und stationäre Hilfen im Etat-Entwurf eingeplant — mehr als im Vorjahr. „2010 mussten wir 200 000 Euro mehr ausgeben als wir kalkuliert hatten“, sagt Berster. Die Menschen hätten einen Rechtsanspruch auf diese Hilfen, die zunehmend in Anspruch genommen würden. Das „System Familie“ funktioniere vielfach nicht mehr so.

Gründe für Probleme gibt es viele: Familienkrisen, Probleme in der Schule, Gewalt, Drogensucht. 148 Mal wurde die Fachgruppe des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) der Stadt im vergangenen Jahr kontaktiert — Tendenz steigend. 2008 gab es 107 Beratungen, 2009 waren es 115. Kinder melden sich zwar auch, aber zumeist sind es Elternteile, die den ersten Schritt wagen und sich eingestehen: „Da läuft was nicht rund.“

Wer sich an das Jugendamt wendet, kann auf Anonymität setzen. „Die Fälle sind vertraulich“, betont Böttcher. Da aber immer eine Lösung gefunden werden soll, die zum Ziel den Erhalt des familiären Umfelds hat, „müssen alle Beteiligten irgendwann eingebunden werden“.

Oft reichen einige Beratungsgespräche, immer öfter müssen aber auch Therapien empfohlen werden. Schlagen ambulante Hilfen mit Kosten ab 1000 Euro pro Monat zu Buche, sind für stationäre Unterbringungen 3000 bis 7500 Euro fällig. „Prävention ist also besser. Jeder Euro dafür ist in der Jugendhilfe gut investiert“, sagt Sozialwissenschaftler Jürgen Rexfort.

Es sind vor allem die stationären Therapien, die das Stadtsäckel belasten. „Erst wenn es keinen anderen Weg gibt, werden Hilfen außerhalb der Familie bei Pflegeeltern, in Heimen oder Wohngruppen in Anspruch genommen“, sagt Böttcher. Aktuell sind 40 Mädchen und Jungen stationär untergebracht. 2010 waren es im Jahresschnitt 45. Für ambulante Hilfen stehen in diesem Jahr 450 000 Euro zur Verfügung, für stationäre Hilfen sind es eine Million Euro. „Aber es muss nur eine Familie mit drei, vier Kindern zusätzlich betroffen sein, dann stimmt die Rechnung nicht mehr“, sagt Böttcher.