Wenn die Wahl zur Qual wird
Geheimes Abstimmen, verborgene Motive und fragwürdiger Protest. Bei dieser Beigeordnetenwahl sah der Rat nicht gut aus.
Velbert. 32 Menschen haben sich auf die Stelle des Ersten Beigeordneten der Stadt Velbert beworben. Der beste Kandidat war Gerno Böll. Einige Ratsmitglieder würden an dieser Stelle neckisch mit dem Auge zwinkern. Dass sich ausgerechnet der Fachbereichsleiter und einstige SPD-Fraktionschef durchgesetzt hat, stößt manchen sauer auf.
Warum eigentlich? So realistisch muss man sein: Dass sich bei einem Bewerbungsverfahren ein interner Kandidat besser durchsetzen kann, als ein Unbekannter, liegt in der Natur der Sache. Böll konnte sich schließlich bei Bürgermeister und Rat mit seiner Arbeit in Velberts größtem Fachbereich (Sport, Bildung und Kultur) bereits unter Beweis stellen. Das ist ein Vorteil. Das darf ein Faktor sein. Soweit ist alles in Ordnung.
Nur: Der Fall Böll zeigt, wie unschön so ein Personalienwechsel am Ende aussehen kann, wenn auf der ganzen Länge die nötige Transparenz fehlt. Da wird der Beigeordnete Holger Richter ohne Angabe von Gründen überraschend nicht wiedergewählt. Erste Augenbraue zieht sich hoch.
Gerade bei diesem sensiblen Vorgang schließt Volker Münchow (SPD) die Vorhänge und beantragt eine geheime Wahl. Ausgerechnet Münchow. Bei dem NRW-Landtagsabgeordneten hat Böll als wissenschaftlicher Mitarbeiter politisch Fuß gefasst. Zweite Augenbraue zieht sich hoch.
Böll bewirbt sich. Böll kommt in die engere Auswahl. Böll wird von 31 Ratsmitgliedern gewählt. Wieder geheime Abstimmung, dieses Mal beantragt von der UVB. Von den sechs externen Kandidaten — von denen kein Bürger auch nur einmal in öffentlicher Sitzung das Gesicht gesehen hat — hatten vor der Ratssitzung offenbar bereits vier festgestellt, aus welcher Richtung der Wind weht. Drei traten gar nicht mehr an, eine Bewerberin meldete sich krank. Auch neun Ratsmitglieder aus allen möglichen Fraktionen — von FDP über CDU, SPD, Grüne und Linke — fühlten sich nicht mehr so gut oder waren im Urlaub. Wie bei der Richter-Wahl verzichteten erneut gewählte demokratische Volksvertreter auf die Abgabe ihrer Stimme.
Das hatte bereits damals einen sehr unschönen Beigeschmack. Mit den Stimmen der Protestler hätte Richters Abwahl verhindert werden können. Protest geht nämlich auch ganz normal — mit der Abgabe der Stimme. Jeder kann sich daraus einen eigenen Reim machen: Ging die fragwürdige Aktion nach hinten los? Oder wollten die Protestler nur ein lautes Zeichen gegen das Verfahren setzen, ohne die Abwahl tatsächlich zu verhindern? Wollte Richter lieber gehen als bleiben? Nach außen bleiben diese Fragen offen.
Das ist das Problem: Am Ende kennt kein normaler Bürger die Beweggründe. Deswegen wird jetzt über „Postenschieberei“ diskutiert, sogar von Ratsmitgliedern. Und darüber gerät Fachliches in Vergessenheit. Zum Beispiel, dass Böll bereits einen Fachbereich mit 180 Mitarbeitern geleitet hat. Eigentlich ist es absurd zu vermuten, dass Bürgermeister und Ratsmehrheit jemandem einfach so ein „Pöstchen“ zuschieben, wenn sie nicht glauben würden, dass er der richtige Mann für den Job ist. Demnächst ist der Sozialdemokrat die Vertretung des Bürgermeisters an der Verwaltungsspitze und als Dezernent für fast 400 Menschen in der Verwaltung zuständig. Das ist kein „Pöstchen“. Das ist eine ernsthafte Aufgabe.
Im Hinterkopf bleibt etwas anderes. Ein Geschmäckle. Wenn die ganze Heimlichtuerei nicht gewesen wäre, hätte vielleicht jemand mitbekommen, dass hier im Kern gar nichts Verbotenes geschehen ist. Die Ratsmehrheit hat den Beigeordneten gewählt, den sie haben wollte. Das ist passiert. Nur wie. . .