Wissen weitergeben ohne an Rollenklischees zu kleben

Als Landfrau ist Beate Kneer sowohl Familienmanagerin als auch Bürofachkraft für Agrarfragen. Hinzu kommen ehrenamtliches Engagement im Verband und bei der Kirche.

Wülfrath. Wenn es gut läuft, klingel der Wecker erst mitten am Tag - um acht Uhr. Normalerweise aber steht Beate Kneer sprichwörtlich mit den Hühnern auf. Bei Wind und Wetter und komme, was wolle, ist das für sie Punkt sechs Uhr. „Allerdings kenne und nutze ich die Schlummertaste meines Weckers gut“, gibt die 50-Jährige zu. Frühaufsteherin ist sie „ein Leben lang, nicht erst, seitdem ich Landfrau bin“, und das Landfrauenleben ist ihr nicht in die Wiege gelegt worden.

1989 lernte sie ihren späteren Mann Bernd kennen. Inzwischen ist der Mann in der Kreisbauernschaft bekannt, weil er seit Mai 2013 einen besonderen Betrieb für integrierten Pflanzenschutz betreibt. Als die beiden sich Ende der 1980er Jahre ineinander verliebten, war Ackerbau für ihn ein Nebenerwerb — und Beate verdiente Geld in ihrem erlernten Beruf als Bankkauffrau. Dann kamen die ersten beiden Kinder, ein Zwillingspärchen, und Beate Kneer gab den Bankjob in Düsseldorf auf und widmete sich Haus und Hof. Nicht wie Landwirtkollegin Carmen Gumpertz in Gummistiefeln, Kittel oder fleckiger Arbeitshose, „Beate Kneer organisiert alles hinter den Kulissen. Und offensichtlich macht sie das toll“, gibt Carmen Gumpertz zu Protokoll.

„Klar, ich bin auch die Frau an seiner Seite’“, sagt die vierfache Mutter über sich. „Vor allem aber führe ich ein selbstbestimmtes Leben.“ Dabei sieht sie sich in einer Vorbildfunktion, vor allem für Tochter Charlotte, dem einzigen Mädchen neben drei Brüdern. „Wissen zu bewahren und weiter zu geben, ist wichtig. Aber vor allem, nicht klischeehaft an Rollenmodellen zu kleben.“ Nicht nur ihre Buben sollen den Trecker chauffieren können, die Tochter auch. Und umgekehrt stehen bei den Kneers nicht nur die Mädels in der Küche, die Jungs sind ebenso dran. „Auf dem Land geht es viel sozialer zu“, generationsübergreifen bleibt man „dran. Ein Leben lang.“

Gemeinsam Türen zu öffnen, ist ein weiteres Anliegen. Deshalb ist Beate Kneer ehrenamtlich engagiert. In der Kirche ist sie aktiv, bringt sich in er Schulpflegschaft ein und mischt seit zwölf Jahren bei den Landfrauen mit. Über Schwiegermutter Hildegard fand sie den Weg in diesen Verbund. „Nur zu meckern, reicht nicht. Wer kritisiert, sollte auch bessere Ideen haben.“ Also macht sie „den Mund auf und bleibt bei der Sache“, bevorzugt, was die Angelegenheiten der Landfrauen angeht. Etwa 80 Frauen sind es, die der Ortsverband zählt. Ein paar Mitstreiterinnen sind in der gleichen Altersklasse wie sie, „eigentlich zu wenig, wir bräuchten mehr aus der jungen Generation“. Diese Frauen - um Landfrau zu sein, muss man nicht vom Hof kommen, Interesse an Natur, Ernährungs- und Verbraucherthemen sind wichtiger als waschechte Bäuerin zu sein — zu finden und zu begeistern, ist „nicht leicht. Viele legen sich nur ungern fest“. Dabei, sagt die Wülfratherin, geht es vor allem darum, weiter zu netzwerken. Beispielsweise für berufsständische Interessen wie der Entgeltgleichheit oder Altersprophylaxe.

Beate Kneer, Mitglied der Wülfrather Landfrauen

Die Fortbildung zur Equal-Pay-Beraterin hat Beate Kneer längst absolviert, Kooperationen für den Wissenstransfer mit der städtischen Gleichstellungsbeauftragten Gudula Kohn baut sie aus und strebt Zusammenarbeit mit Susan Seidel, im sozialen Dienst Altenhilfe der Stadt für Pflege und Wohnberatung zuständig, an. Eine Eigenbeschreibung für das, was sie so alles macht, findet sie nicht. „Das ist so etwas wie Familienmanagerin und Agrarbüroleiterin mit Empathie für Frauen in allen Lebenslagen“, versucht sie es.

Lieber ist sie jedoch praktisch unterwegs. Die Rezeptbücher für die von Landfrau-Kollegin Marlene Rosendahl gehaltenen Kochkurse verfasst sie gerne, kümmert sich um die Organisation von Tagen der offenen Tür oder Sportkursen. Monatlich finden Ausflüge zu befreundeten Höfen statt, wie etwa in Münster. Hier zählt der Spaß ebenso, wie sich über für den eigenen Betrieb umsetzbare Ideen zu informieren. „Es gibt ja immer was zu tun“, sagt Kneer, „deshalb wird es auch nie langweilig.“