Das Kaufhaus für irgendwie alles
In Neviges gibt es mit Gassmann noch ein inhabergeführtes Warenhaus — eine Rarität. Doch das Geschäft wird nicht leichter.
Neviges. Christine Gassmann-Berger erinnert sich noch an eine ganz andere Kaufhaus-Ära zurück. Als ihre Großeltern 1921 den ersten Laden in Witten eröffneten, haben die Kunden ihre Einkäufe noch nicht selbst in den Warenkorb gelegt. Weder in den digitalen, noch den klassischen. Die Angebote gab es ausschließlich hinter der Theke und wurden vom Inhaber nach vorne gereicht. Wer Alltägliches brauchte, ging ins Kaufhaus. Nirgendwo anders hin.
Serie: Im Herzen
von Neviges
Ein grobes Jahrhundert später sind Kaufhaus-Riesen wie Horten und Hertie verschwunden. Aber Gassmann ist noch da. Seit 18 Jahren versucht sich das Traditionshaus in Neviges von der krisenbehafteten Konkurrenz abzusetzen. „Wir sind noch näher dran am Kunden“, sagt Gassmann-Berger, die seit 1979 mit Unterstützung von Vater Wolfgang das Unternehmen leitet. Noch heute sage der Nevigeser: „Bei Gassmann kriegst du alles.“ Alles? Zumindest alles, was man in ein rund 300 Quadratmeter großes Warenhaus packen kann. An der Bernsaustraße 1 gibt es von der haftbeschichteten Pfanne über Spielzeug und Schreibwaren bis zum Herrenschlüpfer ein bunt gemischtes Sortiment. Das Besondere passiert, wenn der Kunde einmal nicht fündig wird. „Wir versuchen, alles im Rahmen unserer Möglichkeiten zu bestellen“, sagt Gassmann-Berger.
Eine Anlaufstelle für alles — in Zeiten von Einkaufs-Centern und Internet-Shops wird es immer schwerer mit dem einstigen Alleinstellungsmerkmal zu punkten. Auch am Nevigeser Standort sieht Christine Gassmann-Berger die Entwicklung mit Sorge. „Der Kundenstrom ist im Moment nicht zufriedenstellend“, sagt sie mit Blick auf die Fußgängerzone. Ein Teil der Käufer sei in den vergangenen Jahren zu dem kleinen Nebenzentrum im Siepen abgewandert. „Es fehlt in der Fußgängerzone einfach an Läden, die zum Bummeln einladen“, findet sie. Alternativ könnte auch die Ansiedlung neuer attraktiver Cafés die erhoffte Belebung bringen.
Lob hat die Geschäftsführerin für die Werbegemeinschaft Neviges übrig. „Die macht hier viele gute Aktionen, wie etwa den lebendigen Adventskalender. Das kenne ich so aus anderen Städten gar nicht“, sagt die Chefin von fünf weiteren Filialen unter anderem in Essen-Überruhr und Herdecke.
Wird Gassmann noch auf den Online-Zug aufspringen und bald auch Waren im Netz anbieten? Gassmann-Berger sagt: „Ja, bald soll das auch möglich sein. Aber so weit sind wir noch nicht.“ Bis dahin bleibt nur der persönliche Kontakt im Laden mit den zehn Mitarbeitern in Neviges. Die Stammkunden wird’s nicht stören. Deshalb gehen sie noch heute ins Kaufhaus nebenan.