Wülfrath Ziel muss sein, die Bürger zu halten

Wülfrath · Ilona Küchler, Fraktionsvorsitzende der Linken, lobt FFF, warnt vor zügelloser Bebauung und spart nicht mit Kritik an der Verwaltung.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Ilona Küchler, mit dem „Kalker“ auf dem Heumarkt.

Foto: Holger Bangert

. „Das Top-Thema gibt es nicht, wir müssen alle Themen im Zusammenhang sehen.“ Ilona Küchler, Fraktionsvorsitzende der Linken, erklärt im WZ-Sommergespräch, wie sich ihre Partei aktuell aufstellt. Gleich zu Beginn gibt es ein Lob für die Bewegung „Fridays for Future“. Sie haben Schwung in die Sache gebracht. Ilona Küchler warnt allerdings davor, bei der Klimadebatte die Bürger zu sehr zu belasten. Auch dürfe niemand an Teilhabe gehindert werden. Mit Blick auf die neue Klimaschutzmanagerin Ursula Kurzbach meint sie: „Ich sehe mit Sorge, dass noch keine Projekte in der Umsetzung sind.“ Dabei führten energetische Maßnahmen zu Einsparungen. „Zuerst muss man aber Geld in die Hand nehmen.“ Ilona Küchler bedauert, dass der Prüfantrag der Linken, intelligente Heizungssteuerungssysteme für öffentliche Gebäude wie zum Beispiel Kitas, Schulen und dem Dienstleitungszentrum einzuführen, keine Mehrheit gefunden hat, obwohl die Vorteile auf der Hand lägen.

Die Strategie Wülfrath 22 plus sieht sie mit gemischten Gefühlen. „Uns geht es dabei nicht nur um dieses Wachstum. Die von Bürgermeisterin Claudia Panke genannte Zahl von 23 000 Bürgern halte ich für eine Utopie.“ Man müsse das Ziel haben, die Bürger zu halten. Dies könne nur gelingen, wenn Wülfrath eine entsprechende Infrastruktur anbietet. Und: „Wir dürfen nicht alles Mögliche bebauen. Die Naherholungsgebiete sind ein wichtiger Faktor für Wülfrath.“ Es sei auch zu bedenken, wo man Türen öffnet. „Dann steigt der Druck der Investoren.“ Bei der Schaffung von Wohnraum sollte ihrer Meinung nach die Innenstadt weiter entwickelt werden. „Die Frage ist, wie schaffe ich das mit Grünflächen.“ Außerdem müsse man an das Parken denken. Sie selbst ist mit ihrer Familie im Jahr 2000 zugezogen. Damals eine bewusste Entscheidung für die Kalkstadt. Bei Neubürgern aus Metropolen wie Düsseldorf oder Wuppertal befürchtet Ilona Küchler, dass „sie ihren Lebensmittelpunkt weiterhin dort haben“. Es sei ein Trend, außerhalb zu wohnen, aber Arbeit und Leben weiterhin dort zu haben. Daher müsse man in Wülfrath einen Blick darauf haben, den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht zu riskieren.

Als „schwierige Sache“ bezeichnet die Fraktionsvorsitzende der Linken das Thema Gewerbegebiete. Neue Unternehmen anzuwerben sei generell sehr schwer, auch die ansässigen Betriebe überhaupt zu halten. „Das liegt nicht an der Höhe der Gewerbesteuer in Wülfrath“, meint Ilona Küchler mit Blick auf Knorr-Bremse. Die Abwanderung erfolge häufig ins Ausland. Damit stehe die Kalkstadt im Kreis Mettmann nicht alleine da. Auch der Personalabbau treffe alle. „Bayer baut zum Beispiel Stellen in Monheim ab.“

Für Wülfrath wünscht sie sich, dass die Leerstände genutzt werden. „Da ließe sich etwas machen, man müsste aber hinterher sein“, so Ilona Küchler. Ganz zufrieden mit der Wirtschaftsförderung ist sie nicht. „Ich kann nicht sagen, was sie macht oder nicht macht. Es heißt immer, wir sind im Gespräch.“ Kritik gibt es in Bezug auf Knorr-Bremse auch für Claudia Panke. „Ich ärgere mich, wenn sich die Bürgermeisterin hinstellt und sagt, man habe gute Gespräche mit der Geschäftsführung geführt. Sie hätte sagen müssen, dass die Stadt getäuscht worden ist.“

Ilona Küchler würde es begrüßen, wenn die Verwaltung einen barrierefreien Internetauftritt einführen würde. Dabei geht es zum Beispiel um Funktionen, die Schrift größer zu stellen, den Kontrast zu ändern oder eine Vorlesefunktion. Die Verwaltung solle zudem mehr Informationen über Netzwerke wie Zwar anbieten. „Auch der Abfallkalender sollte mit drei Klicks zu finden sein, ist er aber nicht.“ Insgesamt solle die Verwaltung ihren Internetauftritt ansprechender gestalten.

Das Thema Integration ist für Ilona Küchler positiv besetzt. „Dass eine kleine Stadt wie Wülfrath ein Konzept verabschiedet hat, ist sehr gut. Mir hat eine Sozialarbeiterin gesagt, dass es gut funktioniert.“

Der soziale Wohnungsbau liegt den Linken natürlich sehr am Herzen. „Wir brauchen eine gute Durchmischung, keine Gettobildung“, sagt die Fraktionsvorsitzende. Auch solle man angesichts der Altersentwicklung der Bevölkerung an andere Wohnformen denken. Zum Beispiel in den Niederlanden wohnten Studenten mit älteren Bürgern unter einem Dach. „Die Studenten haben preiswerten Wohnraum und die Senioren bekommen Hilfe im täglichen Leben.“ Das sei ein Plus für alle Beteiligten.

In Bezug auf Kitas sagt Ilona Küchler, man müsse sich endlich an die geänderten Lebensbedingungen anpassen. „Wir brauchen andere Öffnungszeiten, zum Beispiel für Alleinerziehende oder Eltern, die beide arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Auch Eltern, die im Schichtdienst eingesetzt sind, seien zu berücksichtigen.

Zum Thema Bürgermeisterkandidat gibt sich Ilona Küchler bedeckt. „Die Linke arbeitet sich erst an Inhalten ab. Deswegen machen wir uns noch keine Gedanken darüber. Wir wählen aber sicher keinen Kandidaten, der das kulturelle Angebot abbauen will oder den sozialen Bereich einstampft.“ Zum Beispiel Zuschüsse für Vereine seien unabdingbar.