Der unbekannte Bunker an der Feldstraße
Der Einmannbunker dient seit zwei Jahren als Mahnmal, ist aber Nettetalern kaum bekannt.
Kaldenkirchen. Verwittert, leicht schief und wahrlich wenig ansehnlich ist das kleine steinerne Bauwerk: Als „mahnendes Denkmal“ weist zwar ein Schild den so genannten Einmannbunker neben dem Bahnübergang an der Feldstraße in Kaldenkirchen aus. Aber so manche Nettetaler können oder wollen mit dem Überbleibsel aus Kriegszeiten wenig anfangen, andere hingegen verbinden damit Erinnerungen. „Vielen scheint der Bunker unbekannt, ich komme öfter da vorbei und sehe, dass Radfahrer stehen bleiben und erstaunt sind, wenn sie das Schild lesen“, sagt der Kaldenkirchener Hajo Siemes.
„Auch wenn das politische Leben in der Stadt auf Zukunft ausgerichtet ist, fußt es doch auf der Vergangenheit, sie gehört einfach dazu“, sagt der Vorsitzende der WIN (Wir in Nettetal)-Fraktion. Vor sechs Jahren ergriff deshalb WIN die Initiative, den Bunker als Mahnmal zu erhalten: Die Stadt Nettetal verwies auf den Bürgerverein Kaldenkirchen, der schließlich Geschichte und Bedeutung des Bunkers aufarbeitete. Seit zwei Jahren nun informiert die grüne Infotafel am Bunker darüber, dass dieser als „Wachpostenunterstand“ als „kleiner Überrest eines furchtbaren Krieges“ früher„bis zu drei Personen Schutz“ bot.
„Wir haben mitbekommen, wie der Bunker dahin kam“, erzählt Karl Otten. Der heute 90-Jährige, der „nicht zur Wehrmacht musste“, bezweifelt, dass wirklich drei Mann in den Mini-Bunker passten: „Das hätten schon kleine Menschen sein müssen, und für ihre Gewehre wär‘ da drin gar kein Platz gewesen.“ Wie manche anderen teilt er die These, dass „der Bunker wohl eher den Rangierern am Gleisabzweig Schutz bieten“ sollte.
Diesen Gleisanschluss gibt es heute nicht mehr. Damals aber war gegenüber vom Bunker, wo heute Gestrüpp wuchert, ursprünglich eine Produktionsstätte für Trockengemüse der Fortin Mühlenwerke, die bis heute in Düsseldorf ansässig sind. Im Krieg dienten die Gebäude als Lager für Gefangene aus Osteuropa: Sie wurden in Bahnwaggons über den Fortin-Gleisanschluss in Lager gebracht, „von dort zur Zwangsarbeit eingeteilt“, wie das Bunker-Schild erklärt. Ein Kaldenkirchener weiß noch, „dass vor allem Frauen bei den Bauern mithelfen mussten“.
Zwangsarbeit in Kaldenkirchen? „Es ist schon auffällig, dass uns jungen Leuten nach dem Krieg niemand etwas davon erzählte, das müssen doch alle mitbekommen haben, trotzdem haben sie geschwiegen“, wundert sich Reimund Nothen. Insofern sei es nur richtig, dass das Schild am Bunker darüber aufkläre. Der 69-Jährige hat besondere Erinnerungen aus den Nachkriegsjahren an den Bunker: „Wir haben als Kinder am Bunker gespielt, es war natürlich aufregend, darauf zu klettern, darein zu kriechen und dahinter Fußball zu spielen.“
Gegenüber vom Bunker auf dem Fortin-Gelände waren nach dem Krieg Soldaten der Siegermächte einquartiert, gewährten „der Zivilbevölkerung schon mal Zugang zur Kantine“. Manchen Samstagsabend habe der Vater ihn und seine Schwester zur Kaserne geschickt, Fläschchen Bier aus der Kantine zu holen: „Die Soldaten waren nett, haben uns Kindern Kaugummi zugesteckt.“ Nothen schmunzelt noch heute, weil seine Schwester sich nicht so recht in die Kaserne traute: „Schwarze Soldaten hatten wir Kinder ja noch nie vorher gesehen.“
Ansonsten freilich waren die Kriegs- und Nachkriegsjahre für Otten, Nothen und andere eine harte Zeit. Der Bunker hält die Erinnerung daran wach: „Insofern ist der Bunker zeitgeschichtlich schon von besonderer Bedeutung, auch wenn er offiziell nicht die Kriterien erfüllt, unter Denkmalschutz eingetragen zu werden, weil es am Westwall etliche davon gab“, sagt Helmut Bertges von der Unteren Denkmalbehörde bei der Stadt. So sieht das auch Siemes: „Falls jetzt hier im Südosten Kaldenkirchens vielleicht ein Baugebiet ausgewiesen wird, müssen wir darauf achten, dass der Einmannbunker als Mahnmal erhalten bleibt.“ Auch wenn er verwittert, leicht schief und wahrlich wenig ansehnlich ist.