Grefrath 300 Kasper-Legenden im Niederrheinischen Freilichtmuseum
Eine neue Sonderausstellung erzählt von Handpuppen, die Hollywood beeinflussen — und von der Leidenschaft zweier Sammlerinnen.
Grefrath. Der freche Kasper und der gutmütige Seppel, der nach Ordnung strebende Wachtmeister und der furchteinflößende Teufel — kaum eine Kindheit ist ohne Kaspertheater ausgekommen. Und auch heute fiebert der Nachwuchs gespannt mit, wenn sich das gefräßige Krokodil langsam von hinten anschleicht.
Ab Sonntag werden im Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath rund 300 Handpuppen ausgestellt, die Kasper-Geschichte erzählen können. Und von einer fast unglaublichen Sammlerleidenschaft zeugen. Irmgard Pastors aus Süchteln hat seit 1989 rund 1000 Puppen gesammelt. Die bewahrt sie normalerweise in Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer auf. „Das ist kein Problem — wenn Besuch kommt, gehe ich zu meiner Schwester rüber“, erzählt die 70-Jährige schmunzelnd. Jetzt hat die Sammlerin ein wenig mehr Platz.
Die Sonderausstellung „Tri-Tra-Trullala - Kasper in der Dorenburg“ nimmt die Besucher mit auf eine Art Zeitreise durch das Kasper-Universum. Die ältesten Handpuppen mitsamt Bühne von Irmgard Pastors sind Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt worden. Der kunterbunt gekleidete Kasper mit seiner Harlekinmütze ist auch heute auf den ersten Blick zu erkennen. Was neben einem Ordnungshüter, einer Dame und einem Krokodil eher ungewöhnlich erscheint, sind Utensilien wie ein Galgen oder ein Beil aus Holz. „Hier handelt es sich ganz klar noch um Erwachsenenunterhaltung“, erklärt Anke Wielebski, Kuratorin der Ausstellung.
Als Unterhaltung für Kinder würden die Kasperlefiguren erst seit hundert Jahren gelten. Derbe Szenen hätten die Menschen auf den Jahrmärkten in ihren Bann gezogen. In einem Schaukasten im ersten Obergeschoss der Dorenburg ist beispielsweise auch einer Skelett-Figur zu sehen, die den Tod darstellen soll. Außerdem soll eine Handpuppe einen Juden darstellen. Dieser haben die Nationalsozialisten später die Rolle des Krokodils zugeschrieben.
Schon immer habe das Puppentheater als unterhaltsame Art der Erziehung gegolten. „Wenn der Kasper vermittelt, man soll nicht über Rot gehen, kommt das ganz anders an“, sagt Kulturdezernent Ingo Schabrich, der auch andere Parallelen in die Gegenwart zieht: Auch Hollywood habe von den Puppenspielen gelernt. Ein Stilmittel, das sich vor allem bei spannenden Filmen wiederfindet, sei zum Beispiel, dass der Zuschauer mehr sieht als der Held — beim Kasper in Form des nahenden Krokodils. Und trotzdem wisse man, dass am Ende das Gute oder der Kasper gewinnt. Ein persönlicher Gewinn ist die Ausstellung auch für Irmgard Pastors und ihre Schwester Christa Ey.
In komprimierter Form werden die Früchte ihrer jahrelangen Arbeit präsentiert. Wie die aussah? Zunächst habe Pastors sich mit Hilfe von wissenschaftlichen Abhandlungen informiert. Da habe sie schon die „Neugier“ gepackt. Die unterschiedlichen Arbeitsweisen, Materialien und Geschichten der Puppenmacher faszinieren sie heute noch. Wo sie die Puppen her hat? „Erst habe ich es auf Flohmärkten probiert, dann habe ich Anzeigen geschaltet“ — im Endeffekt sei das aber zu mühselig gewesen. Seitdem suche sie bei einem bekannten Online-Marktplatz. Welchen Geldwert die Puppen haben, will Irmgard Pastors nicht verraten. Eines stehe aber fest: „Preiswert waren sie nicht.“