Ausbildungstour in der Region Auf 100 Bewerber kommen nur 60 freie Stellen
Politiker sahen sich vier vorbildliche Betriebe in der Region an.
Kempen/Willich. „Es ist für die jungen Menschen in unserer Region keine zufriedenstellender Zustand, dass es derzeit im Kreis Viersen auf jeweils 100 Bewerber für einen Ausbildungsplatz nur 60 freie Stellen gibt“, sagte Ingo Zielonkowsky, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Agentur für Arbeit in Krefeld. Um das zu ändern und um mehr Betriebe zu motivieren, Auszubildende zu beschäftigen, gingen am Mittwoch Landtags- und Bundestagsabgeordnete aus der Region auf Tour und sahen sich vier Betriebe an, die schon lange mit gutem Beispiel vorangehen: Bäckerei Hoenen (Tönisberg), Lacroix Electronics (Willich), Rath Reisen (Süchteln) und Oton Hörgeräteakustik (Brüggen). Mit dabei waren die Politiker Stefan Berger, Marcus Optendrenk, Uwe Schummer (alle CDU), Udo Schiefner (SPD), Dietmar Brockes (FDP) und Martina Maaßen (Grüne).
„Wir wollen die anderen Betriebe wachrütteln, es ihnen gleich zu tun“, sagte Zielonkowsky, der weiter mitteilte, dass es zwar etwa 200 verschiedene Ausbildungsberufe gebe, sich aber die meisten Suchenden auf nur zehn Berufe konzentrieren würden.
Eine Station war die Firma Lacroix Electronics an der Hanns-Martin-Schleyer-Straße in Willich-Münchheide. Das Unternehmen, das dort elektronische Leiterplatten herstellt, stellte die Assistentin der Geschäftsführung, Dominique Lieutenant, vor. Auch sie beklagte, dass es zu wenige Fachkräfte gebe und die Auszubildenden passgenauer und gezielter schon in den Berufskollegs vorbereitet werden müssten.
Die Gruppe besuchte auch den Hauptbetrieb der Bäckerei Hoenen am Vaetsbruch in Tönisberg. Den Familienbetrieb hatte Franz Hoenen 1904 gegründet, dann sein Sohn Heinz 1971 übernommen.
Der heute 74-jährige Heinz Hoenen, der das mittelständische Unternehmen mit seinen Kindern Thomas (44) und Nicole Sanfilippo-Hoenen (43) führt, erinnert sich noch an die Anfänge: „Wir haben 1971 das Geschäft an der Bergstraße in Tönisberg mit einer Backfläche von sieben Quadratmetern übernommen.“ Mittlerweile gibt es 36 Filialen, darunter 16 Mühlen-Cafés. Die „Backfläche“ beziehungsweise Produktionsstätte ist über 4500 Quadratmeter groß. Von dort gehen täglich zehntausende Brötchen und Brote an die Service-Filialen. Rund 100 Mitarbeiter arbeiten im Hauptbetrieb, etwa 300 in den Bäckereien. Derzeit werden elf Auszubildende im Verkauf beschäftigt, zwei als Bürokauffrauen und drei als Bäcker-Azubis in der Produktion. Ab August werden noch Auszubildende gesucht.
Geschäftsführerin Nicole Sanfilippo-Hoenen wünschte sich, dass die Nachwuchskräfte schon in den Berufsschulen besser als bisher in ihrem Beruf ausgebildet werden: „Die brauchen nicht unbedingt Sport und Religion, sondern müssen zum Beispiel wissen, wie man sich im Service richtig und kundenfreundlich zu benehmen hat.“
Und es müsse eine bessere Verzahnung und Zusammenarbeit zwischen Berufsschule und Ausbildungsstätte erfolgen. Den Politikern gab die Geschäftsführerin mit auf den Weg, die Interessen der Arbeitgeber stärker zu berücksichtigen. Sie schilderte den Fall einer 19-Jährigen, die sich zur Bäckerei-Fachverkäuferin ausbilden ließ, schwanger wurde und dann monatelang ohne eine Krankmeldung nicht mehr erschien. Nach mehrmaligen Abmahnungen wurde ihr gekündigt. Diese musste wegen des Sonderschutzes der Schwangeren zurückgenommen werden. Das Verfahren läuft noch.
Von der Arbeitsagentur wünschte sich die Geschäftsführerin, dass junge Arbeitslose nicht nur an wenigen Tagen zu den „Schnupperkursen“ geschickt werden, sondern dass dies auf etwa vier Wochen ausgedehnt wird, um wirklich ein Urteil abgeben zu können.