Bund der Steuerzahler will Kempener Rathaus-Projekt prüfen
Der am Dienstag beschlossene Kauf von drei Häusern für die Verwaltung soll auf Anregung der FDP auf den Prüfstand.
Kempen. Mit dem Ratsbeschluss von Dienstagabend, drei Gebäude für einen neuen Verwaltungssitz zu kaufen, kann die Stadt Kempen jetzt in die konkreten Planungen für das Großprojekt einsteigen. Die Fraktion der FDP will den Beschluss in geheimer Abstimmung (28 zu 16) allerdings nicht einfach zu den Akten legen. „Wir behalten uns weitere Schritte vor“, hatte Fraktionschefin Irene Wistuba in ihrer Stellungnahme in der Sitzung angekündigt. Auf WZ-Anfrage wurde sie gestern konkreter: „Wir haben den Bund der Steuerzahler in der Sache kontaktiert.“
Die FDP findet einiges an der Vorlage der Verwaltung „nicht in Ordnung“. In erster Linie fußen die Bedenken der Liberalen auf Paragraf 14, Absatz 1 der Gemeindehaushaltsverordnung NRW: „Bevor Investitionen oberhalb der vom Rat festgelegten Wertgrenzen beschlossen und im Haushaltsplan ausgewiesen werden, soll unter mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten durch einen Wirtschaftlichkeitsvergleich, mindestens durch einen Vergleich der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 33 Abs. 2 und 3 und der Folgekosten, die für die Gemeinde wirtschaftlichste Lösung ermittelt werden.“
„Und einen solchen Vergleich der Wirtschaftlichkeit hat uns die Verwaltung nicht geliefert“, sagt Irene Wistuba. Ein Experte, den die FDP in ihren Beratungen hinzugezogen hat, habe die Fraktion auf die Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht. Bei einem Projekt in so einer Größenordnung müsse über alternative Möglichkeiten und Folgekosten gesprochen werden. Und dies sei in der Diskussion über das 9,6 Millionen Euro teure Projekt zwischen Bahnhof und Finanzamt nicht geschehen.
Der Bund der Steuerzahler hält den Vorgang in Kempen zumindest für „prüfenswert“. „Wir haben die Anfrage der Kempener FDP erhalten“, bestätigte gestern die Pressestelle des Verbandes in Düsseldorf. Man werde nun eine Anfrage bei der Stadt Kempen stellen, um Einsicht in die Planungen zu bekommen. Auf dieser Basis falle dann die Entscheidung, ob man sich den Fall im Detail ansehen werde. Der Bund der Steuerzahler — ein „überparteilicher, unabhängiger und gemeinnütziger“ Verband — rechnet in einigen Wochen mit einem Ergebnis.
Bürgermeister Volker Rübo blickte gestern im Gespräch mit der WZ nach vorn. Die Ratsentscheidung von Dienstag sei das Fundament, um die weitreichenden Planungen voranzutreiben. Zunächst stehe die Feinabstimmung mit Investor Hout an, der die drei Gebäude schlüsselfertig für die Stadt bauen wird. „Ich habe heute Morgen schon mit Herrn Hout telefoniert“, sagte Rübo gestern. In Kürze werden mehrere Gespräche terminiert.
Neben den Planungen für den Neubau will und muss die Stadt zügig in eine Projektplanung für die Sanierung des Rathauses einsteigen. Denn ein konkretes Konzept dafür gibt es noch nicht, wie Rübo gestern erneut bestätigte. „Jetzt haben wir Klarheit und können dieses Projekt in Angriff nehmen“, so der Bürgermeister.
Rübo geht mit Blick auf den Hauptsitz am Buttermarkt von einer Sanierung in einzelnen Bauabschnitten aus. Daher gebe es auch kein Problem mit der Diskrepanz zwischen „100 bis 110“ Arbeitsplätzen in den neuen Gebäuden an der Schorndorfer Straße und den vorhandenen 145 Arbeitsplätzen am Buttermarkt. Geplant ist, dass die Angestellten und Beamten während der Sanierung aus der Altstadt an den Bahnhof umziehen. „Es ist wahrscheinlich, dass nicht das komplette Rathaus in einem Rutsch saniert wird“, so Rübo. So gebe es zum Beispiel den abgetrennten Bereich „Bockengasse“ zur Judenstraße hin. Es könnte in diesem Teil weitergearbeitet werden, während im anderen Bereich schon saniert wird. Detaillierte Angaben seien aber erst nach einer konkreten Planung möglich.
Die Wunschvorstellung der Stadt ist, dass die drei neuen „Kopfhäuser“ auf dem ehemaligen Arnoldgelände Mitte 2019 bezugsfertig sind. Dann könnte die Rathaussanierung folgen. Danach wiederum sollen die Nebenstellen Acker, Neustraße und Antoniusstraße (St. Hubert) aufgegeben und verkauft werden.
Konkrete Zeitvorstellungen gibt es dafür nicht. Das Großprojekt „Neubau, Sanierung, Aufgabe der Nebenstellen“ wird in jedem Fall mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Zumal ein weiteres großes Thema eine Rolle spielt: die Kempener Burg. Es steht im Raum, dass die Stadt das Denkmal vom Kreis übernimmt und dort möglicherweise das Standesamt (derzeit Neustraße) unterbringt. Eine Machbarkeitsstudie zur Burg soll kurz vor Weihnachten im Rat vorgestellt werden. Eine Entscheidung, ob Kempen dieses Projekt in Angriff nehmen will, wird wohl 2018 fallen.