Abstimmung im Rat - Stadt Kempen übernimmt die Burg
Mit 28:14-Stimmen votierte der Rat für die Übernahme. Nun folgen Gespräche mit dem Kreis Viersen, um alle Details zu klären.
Kempen. Nach der Abstimmung zur Übernahme der Kempener Burg durch die Stadt gab es langanhaltenden Applaus. Ein Großteil der rund 80 Besucher, für die die Sitzplätze im Ratssaal bei weitem nicht ausreichten, war für die städtische Übernahme des Denkmals. Kurz vor dem Applaus hatten sich 28 Ratsmitglieder dafür ausgesprochen, dass die Verwaltung Gespräche mit dem Kreis Viersen aufnehmen soll — mit dem Ziel, einen Vertrag zur Übernahme abzuschließen. Für diesen Beschluss stimmten geschlossen die Fraktionen von SPD, Grünen, Freien Wählern Kempen (FWK) und Linken sowie acht CDU-Ratsmitglieder. Gegen den Beschluss votierten zehn CDU-Mitglieder, die FDP-Fraktion (drei Stimmen) sowie Bürgermeister Volker Rübo (CDU) selbst. Nicht anwesend waren Übernahme-Befürworter Peter Fischer (CDU), der im Urlaub ist, Jürgen Klement (CDU) und Birgit Halbach (SPD).
Noch kurz vor der Sitzung am Dienstagabend einigte sich der überwiegende Teil der Fraktionen auf einen modifizierten Beschlussvorschlag, der auf Anregung der SPD zustande gekommen war: Die Stadtverwaltung soll Gespräche mit dem Kreis Viersen aufnehmen, deren Ziel es ist, einen Vertrag zur Übernahme der Burg abzuschließen. Im Vorfeld müssten alle wesentlichen Details geklärt werden.
Darauf verwies auch CDU-Fraktionschef Wilfried Bogedain, der selbst gegen die Übernahme stimmte, in seiner Stellungnahme. Kernpunkte wie die Kosten zur Übernahme und ein mögliches Engagement des Kreises Viersen als Ankermieter, um die VHS in der Burg unterzubringen, müssten noch geklärt werden. „Eigentlich ist es noch viel zu früh, um eine solche Entscheidung heute treffen zu können“, befand Bogedain. „Ganz wohl ist mir dabei nicht. Und wenn ich in die Gesichter einiger anderer blicke, sehe ich ähnliche Zweifel.“
Zu groß seien die Unwägbarkeiten, die nach einer Burg-Übernahme drohten. Neben den bislang geschätzten Sanierungskosten zwischen sieben und 10,7 Millionen Euro sei erst nach einer genauen Betrachtung des Denkmals abzusehen, welche Kosten noch auf die Stadt zukommen. Zudem seien die Personalressourcen der Stadtverwaltung nicht ausreichend. Und andere Projekte wie Kita-Ausbau, Schulsanierungen und Sportstättenbau weitaus dringlicher.
Soweit das skeptische Lager der CDU. Bogedain ging auch darauf ein, dass es bei den Christdemokraten einige Befürworter einer städtischen Übernahme der Burg gibt. Eben weil Landrat Andreas Coenen (CDU) jetzt eine Entscheidung aus Kempen wolle. Und bei einem Kempener Nein zur Übernahme ein Vergabeverfahren mit Blick auf einen Privatinvestor anstoßen werde. „Eine Privatisierung muss verhindert werden“, so Bogedain. „Und nur durch ein heutiges Ja zur Übernahme bleibt uns offensichtlich dafür Zeit“, gab der Vorsitzende die Meinung eines Teils der Fraktion wieder.
Fraktionsvorsitzender Andreas Gareißen machte klar, dass die SPD geschlossen und unmissverständlich für die Übernahme der Burg ist. Nur so könne man das Heft des Handelns in der Hand behalten. In Richtung von Bürgermeister Rübo und Wilfried Bogedain sagte Gareißen: „Die Kosten für andere wichtige Projekte in Schulen, Kitas und Sport gegen die Kosten bei der Burg auszuspielen, ist wenig sachdienlich.“ Für eine Weiterentwicklung der Burg gebe es Fördermittel vom Land, die für andere Projekte gar nicht abgerufen werden könnten.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal auf Herrn Hensel berufen werde“, ging Gareißen auf den offenen Brief des früheren Bürgermeisters Karl Hensel (CDU) ein, der sich am Wochenende überraschend zu Wort gemeldet hatte. Hensel habe aber Recht: Die Stadt müsse sich zu ihrem Wahrzeichen Burg bekennen, so Gareißen.
Nahezu pathetisch wirkte die Stellungnahme von Grünen-Fraktionschef Joachim Straeten: „Wir treffen hier heute eine historische Entscheidung.“ Mit Blick auf die Aussagen des Landrates, der die Burg loswerden wolle, könne es nur eine Entscheidung geben: „Die Burg zu kaufen.“ Das große Interesse aus der Bevölkerung in den vergangenen Wochen und in der Ratssitzung sei ein klares Signal: Die Kempener ließen sich „ihre Burg“ nicht wegnehmen. Von Bürgermeister Rübo forderte Straeten Mut, um sich mit einer Entscheidung zur Übernahme „selbst ein Denkmal zu setzen“.
So wie Andreas Gareißen monierte auch Günter Solecki (Die Linke), dass man das Burg-Projekt nicht gegen andere Ausgaben ausspielen dürfe: „Soziales gegen Burg ausspielen, das ist Karneval.“ Mit Blick auf das finanzielle Risiko einer Übernahme fand Solecki deutliche Worte: „Das Gewerbesteueraufkommen Kempens steigt weiter an. Wir haben Geld wie Dreck.“ Die von der Stadt beauftragte Machbarkeitsstudie der Firma Assmann sei nichts anderes als ein „Burg-Kauf-Verhinderungs-Gutachten“.
Wie schon angekündigt, sprachen sich auch die Freien Wähler für die Burg-Übernahme aus. „Die Chancen, die sich mittel- bis langfristig ergeben, sind größer als die Risiken“, so Fraktionschef Udo Kadagies. Er erinnerte aber auch Landrat Coenen an die Zusage, dass auf die VHS als Ankermieter Verlass sein müsse.
Die FDP-Fraktion blieb bei ihrem Nein zur Übernahme. „Wir alle lieben die Kempener Burg, aber Liebe macht manchmal blind. Wir müssen auf unseren Verstand hören, der uns klar sagt: Bei einer städtischen Übernahme der Burg würden wir uns übernehmen“, sagte Fraktionsvorsitzende Irene Wistuba. Es sei unverständlich, das Engagement eines privaten Investors zu verteufeln. Über bau- und planungsrechtliche Mittel behalte die Stadt Kempen weiterhin das Heft des Handelns in der Hand.
Wistuba kritisierte die Umfrage der Initiative „Denk mal an Kempen“, bei der sich 92 Prozent der Teilnehmer für eine städtische Übernahme ausgesprochen hatten. „Die Fragestellung war suggestiv. Man konnte sich zwischen drei Ja-Antwortmöglichkeiten und einer Nein-Antwortmöglichkeit entscheiden. Und die Nein-Antwort wurde sogar noch moralisch infrage gestellt“, so Wistuba. Zudem seien Mehrfachabstimmungen möglich gewesen — und die Umfrage sei deshalb nicht repräsentativ.
Einleitendend der Diskussion hatte Bürgermeister Rübo die Bedenken der Verwaltungsspitze zur Übernahme erläutert. „Die Entwicklung der Burg wird uns überfordern. Die Stadtverwaltung wird die Grenzen der Leistungsfähigkeit überschreiten“, so Rübo. Hinzu komme das finanzielle Risiko, das es mit den vielen Pflichtaufgaben in Schulen, Kitas und Sport abzuwägen gelte. „Eine Verdichtung der Aufgaben hat es so noch nicht gegeben“, sagte der Bürgermeister. Derzeit könne die Stadt Kempen das Projekt Burg nicht stemmen.
„Wegen der Haltung der Verwaltungsspitze wird mir unterstellt, dass ich die Burg nicht will. Der einzige, der sie nicht will, ist der Kreis Viersen“, sagte Rübo, ohne den Namen von Landrat Coenen zu nennen. Rübos Wunsch, die Burg gemeinsam zu entwickeln, habe der Eigentümer Kreis Viersen abgelehnt. Und dass die Stadt das Projekt allein nicht stemmen kann, sei eine „realistische Einschätzung der Situation“, so der Bürgermeister.