Meinung Die Kreishaus-Krise in der Krise – Landrat Andreas Coenen ist nun gefordert
Meinung · Grundsätzlich ist im Kampf gegen Corona nicht mehr von der Hand zu weisen, dass der Kreis Viersen als zuständige Krisenbehörde ordentlich mit sich selbst zu kämpfen hat. Ein Kommentar von Tobias Klingen.
Der Betreiber des Kempener Krankenhauses will nichts zu den Corona-Kapazitäten an der Von-Broichhausen-Allee 1 sagen. Mit anderen Häusern in der Region habe man sich darauf verständigt, keine genauen Zahlen zu nennen, „um Ängste und Spekulationen sowie die allgemeine Hysterie nicht noch weiter zu schüren“. Zu den Zahlen nichts zu sagen, ist das gute Recht des Privatunternehmens Artemed. Wenn man aber alles unter Kontrolle hat, ist die Begründung für diese Nicht-Aussage ein großer Irrtum. Denn nichts zu sagen, ist intransparent. Und genau das, könnte auch Ängste und Spekulationen schüren.
Auch der Krisenstab des Kreises Viersen hält sich beim Thema Intensiv-Kapazitäten merklich zurück. Er beantwortet die Frage nach Zahlen nicht und zieht sich darauf zurück, dies nicht zu dürfen. Zuständig seien das Land und die Krankenhäuser selbst. Und ohne Zustimmung der Betreiber könne man daher keine Zahlen veröffentlichen. Letzteres Argument könnte sogar noch Verständnis hervorrufen. Aber grundsätzlich zu sagen, dass für das Kreisgebiet bei so einem wichtigen Thema keine Zahlen genannt werden, ist ebenfalls intransparent. Eine Behörde, die in dieser Krisenzeit große Verantwortung für rund 300 000 Menschen hat, muss an diesem Punkt offener kommunizieren. Schließlich erleben die Bürgerinnen und Bürger derzeit erhebliche Einschnitte, bangen zum Teil um ihre Existenz und haben nicht zuletzt sicher auch Sorge um ihre Gesundheit. Daher haben sie ein Anrecht auf die größtmögliche Transparenz. Für diese sorgt der Krisenstab des Kreises Viersen derzeit nicht.
Grundsätzlich ist im Kampf gegen Corona nicht mehr von der Hand zu weisen, dass der Kreis Viersen als zuständige Krisenbehörde ordentlich mit sich selbst zu kämpfen hat. Dass die beiden Führungspositionen des Gesundheitsamtes, wie von der WZ berichtet, nicht besetzt sind, bringt die verbliebenen Mitarbeiter in dieser Ausnahmesituation an ihre Grenzen. Es ist daher offensichtlich so, dass in dieser noch nie da gewesenen Krise andere Stabsaufgaben schlechter ausgeführt werden können. Dazu zählt auch die Kommunikation in Richtung eigener Pressestelle und damit in Richtung der Journalisten und letztlich der Öffentlichkeit.
Interne Abläufe im Kreishaus scheinen daher ebenso gestört wie das Verhältnis der Kreisspitze zu einigen Städten und Gemeinden. Aus einigen Rathäusern ist in der Bewältigung der Krise Unmut in Richtung Kreis Viersen zu vernehmen. Seitens der übergeordneten Behörde in Viersen fühlt sich manch Mitarbeiter aus den Städten eher gegängelt als mitgenommen. Die Krisenstabs-Spitze mit Dezernentin Katharina Esser und Kreisbrandmeister Rainer Höckels, aber auch Landrat Andreas Coenen, verzetteln sich eher in Kleinigkeiten, als mit den Kommunen – gemeinsam – stärker zu agieren.
So wurde mit der Stadt Kempen und auch mit der Ärzteschaft über den besten Parkplatz als Standort für das mobile Diagnosezentrum gestritten. Mit dem Ergebnis, dass die für die Bürgerinnen und Bürger so wichtigen Informationen viel zu spät und dann auch noch falsch kommuniziert wurden. Die Schuld bekam die Stadt dann öffentlich per Pressemitteilung zugeschoben: „Innerhalb der Stadt Kempen“ habe es „Kommunikationsprobleme“ gegeben.
Um zu verdeutlichen, dass es zwischen Krisenstab und Kommunen hakt, lohnt es sich, das zu analysieren, was nicht geschrieben oder gesagt wird. So teilte die Kreis-Pressestelle am Freitag folgendes mit: „Rainer Höckels, Leiter des Amtes für Bevölkerungsschutz des Kreises Viersen, lobt alle, die sich am CUZ (mobiles Diagnosezentrum, Anm. d. Red.) beteiligen: Egal, ob Ärztinnen und Ärzte, Arzthelferinnen und -helfer und Ehrenamtler oder freiwillige Helfer aus der Kreisverwaltung – alle seien nach wie vor mit großem Engagement und Motivation dabei.“ Diejenigen aus den Verwaltungen der Städte Kempen, Willich, Viersen und Nettetal, die sicher auch einen Beitrag leisten, erwähnte Höckels nicht. Auch wenn er das an dieser Stelle vielleicht nicht bewusst unterlassen hat, ist es trotzdem nicht gut.
Große Krisen sind die Stunde starker Führungspersönlichkeiten. Insofern ist Landrat Andreas Coenen nun aufgerufen, diese Rolle einzunehmen. Mit viel Empathie auf der einen und einer klaren Linie auf der anderen Seite muss Coenen vor allem das Verhältnis zu den Städten und Gemeinden verbessern. Es gibt in dieser Corona-Krise Dinge, die einzig und allein der Krisenstab des Kreises tun muss und darf. Es gibt aber auch viele Dinge, bei denen die Stäbe der Städte und Gemeinden unterstützen können. Der Landrat muss auch die internen Abläufe im Kreishaus verbessern. Diese verhältnismäßig kleine Krise in der großen Krise muss gelöst werden.