Dires: „Wir werden hier ganz offensichtlich betrogen“

Mitarbeiter der Firma Dires haben Existenzsorgen. Derweil gibt es in der Geschäftsführung des insolventen Unternehmens dubiose Vorgänge.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Frust, Entsetzen, Galgenhumor — so lässt sich die derzeitige Gemütslage der ehemaligen Mitarbeiter der Elektro- und Sanitärfirma Dires (früher Diris) wohl am besten beschreiben. Das Unternehmen ist am Ende, der anderthalbjährige Versuch unter dem neuen Namen ist gescheitert (die WZ berichtete exklusiv). Die Umstände zum Aus der Traditionsfirma sind aber mehr als dubios, wie vier Mitarbeiter (Namen der Redaktion bekannt) der WZ berichten.

„Wir werden hier ganz offensichtlich betrogen“, sagt einer der Mitarbeiter. Die Gehälter für Mai und Juni seien nicht bezahlt worden. Mehr als 20 Angestellte, darunter auch Auszubildende, blieben derzeit auf hohen Kosten sitzen: zum Beispiel für die Krankenkasse.

Inzwischen sind die meisten Mitarbeiter gekündigt worden. Und zwar vom neuen Inhaber und Geschäftsführer Michael Naßhan aus Trebbin in Brandenburg. Wie die Mitarbeiter berichten, hat der letzte Dires-Geschäftsführer, Michael Brix aus Grefrath, seine Anteile an den Eigner in Ostdeutschland verkauft. Der langjährige Diris- und Dires-Inhaber, Karl Hertel, und sein Sohn hätten ihre Anteile ebenfalls bereits abgestoßen.

Ein Eintrag im Handelsregister vom 11. Juli, 20 Uhr, bestätigt zumindest den Gesschäftsführerwechsel von Brix auf Naßhan, dessen Name im offiziellen Gerichtsregister mit „ß“ geschrieben wird. Auf dem Kündigungsschreiben, das der WZ vorliegt, steht der Name Nasshan mit „ss“. Welche Schreibweise richtig ist, konnte die WZ nicht vom Geschäftsführer erfahren. Genauso wie Karl Hertel und Michael Brix war Naßhan am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Eine Rückrufbitte per SMS lief ins Leere.

Zurück zur Sachlage: Die ist für die Mitarbeiter mehr als prekär. „Das Kündigungsschreiben habe ich am 10. Juli bekommen, datiert ist es handschriftlich auf den 3. Juli. Die Kündigung wurde im Brief zum 4. Juli ausgesprochen“, berichtet eine Mitarbeiterin. Im Kündigungsschreiben vom 3. Juli teilt Michael Naßhan mit, dass er für das Unternehmen, dessen Geschäftsführer er offiziell seit dem 11. Juli ist, Insolvenz angemeldet hat.

Diesen sogenannten „Eigenantrag“ bestätigte am Dienstag das Amtsgericht Kleve auf Anfrage der WZ. „Der Eigenantrag wurde am 10. Juli gestellt“, so ein Sprecher der Behörde, die zuständig ist, weil der Dires-Sitz in Geldern ist. Dort wohnt Karl Hertel. Kempen war lediglich die Betriebsstätte — am Industriering Ost 58-60. Weitere Angaben macht das Amtsgericht mit Blick auf das „laufende Verfahren“ nicht.

Mit der Kündigung können die Mitarbeiter im Kontakt mit Behörden und Krankenkassen nichts anfangen. „Bei der Arbeitsagentur haben die Sachbearbeiter hezlich gelacht. So ein dilettantisches Kündigungsschreiben haben die da noch nie gesehen. Damit kann ich nichts anfangen“, so ein Mitarbeiter. Seine Hoffnung und die seiner Kollegen ist jetzt wenigstens das Insolvenzverfahren. „Dann stünde uns zumindest für eine gewisse Zeit Insolvenzgeld zu.“

Zur Unterstützung haben sich die Kollegen Rat beim Xantener Anwalt Adrian Thyssen geholt. Gemeinsam mit dem Juristen prüfen die Betroffenen unter anderem eine Klage wegen Insolvenzverschleppung.

Denn: Eine Insolvenz muss binnen 21 Tagen nach Erkennen der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beantragt werden. Interessanterweise hat Michael Naßhan genau diesen Passus des Insolvenzrechtes in seinem Schreiben an die gekündigten Mitarbeiter zitiert. „Ob alles richtig gelaufen ist, wollen wir jetzt prüfen“, so die Mitarbeiter.

Über die Person Michael Naßhan erfährt man im Internet, dass es offenbar zu seiner Strategie gehört, bei Firmen als Geschäftsführer einzusteigen. Laut Handelsregister ist er seit dem 17. Juli Geschäftsführer bei einer Wohnbaufirma in Nürnberg und seit dem 10. Juli bei der Cosmos Liegenschaften GmbH in München.

Bei weiteren sechs Firmen in Deutschland taucht der Name Naßhan im Zusammenhang mit der Geschäftsführung im Handelsregister auf. Ein Dires-Mitarbeiter ist entsetzt: „Das scheint seine Masche zu sein. Er kauft überschuldete Firmen und schlachtet sie aus. Was aus den Menschen wird, spielt wohl keine Rolle.“