Ehemaliger Lehrer aus Kempen schreibt über Weihnachtskrippe Eine Esel-Geschichte — nicht nur zur Weihnachtszeit

Kempen · Ein ganz anderer Blickwinkel: Der frühere Lehrer am Kempener Rhein-Maas-Kolleg, Peter Josef Dickers, ist heute als Autor tätig.

Das Buch „Esel haben keine Lobby“ ist erschienen im Mönchengladbacher Albert Verleysdonk Verlag.

Foto: Albert Verleysdonk Verlag

(Red) Esel haben keine Lobby. Das meint jedenfalls Peter Josef Dickers, der viele Jahre lang am Rhein-Maas-Kolleg arbeitete und heute in Mönchengladbach lebt. Er beschreibt in seinen Texten alltägliche Begegnungen und Erfahrungen – hintergründig, kritisch, mitfühlend und humorvoll. „Ich lebe nicht vom Schreiben, aber ich schreibe, weil es viel über das Leben und die Menschen zu schreiben gibt“, sagt Dickers.

„Esel haben keine Lobby“ sei zunächst der Titel einer weihnachtlichen Erzählung, aber sie verdeutliche auch, dass Anerkennung und Respekt nicht angeboren seien, sondern erworben werden müssten, heißt es aus dem Verlagshaus Albert Verleysdonk. Diese Erfahrung ziehe sich wie ein roter Faden durch viele Texte dieses Buches. Die Sehnsucht des Esels nach Glück und Geborgenheit sowie nach Befreiung von den Widrigkeiten im Leben sei auch Sehnsucht vieler Menschen.

Die Geschichte vom Esel, der keine Lobby hat, wollen wir unseren Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten:

Ich stehe schon lange an der Krippe. Von Natur aus bin ich geduldig und beschwere mich nicht. Meine langen Ohren hängen schlapp herunter. Ich fühle mich meistens entspannt. Seit ein paar Tagen ist das anders. Es kommen nicht mehr so viele Leute zum Kind. Von mir nehmen sie keine Notiz. Esel zu bescheiden und genügsam. In der vergangenen Nacht habe ich jedoch meine Ohren gespitzt. Senkrecht hoch standen sie, damit ihnen nicht entging, was geflüstert wurde. Wir sollen schleunigst weg von hier. Das Kind soll entführt werden.

So etwas habe ich noch nicht erlebt. Wo sollen wir denn hin? Seit dreißig Jahren wohne ich hier in der Gegend. Jeden Grashalm, jede Wasserpfütze kenne ich. Jetzt soll ich weg? Nach Ägypten, habe ich verstanden. Was sollen wir in Ägypten? Meine Vorfahren waren dort, als die Pyramiden gebaut wurden. Soll ich da wieder Steine schleppen und schwer beladene Karren durch den Sand ziehen? Ich weigere mich, habe ich der Mutter zugeflüstert. Sie weiß, wie störrisch ich sein kann.

Wir brauchen dich, raunte sie zurück. Du kennst dich hier aus. Außerdem kannst du das Kind tragen und mich, wenn ich müde bin. Du hast große Verantwortung. Sie schien das ernst zu meinen. Tragen soll ich sie und das Kind. Hat mich jemand um so etwas schon einmal gebeten? Steine mussten meine Vorfahren schleppen. Anderen die Karre aus dem Dreck ziehen. Jetzt soll ich die Frau tragen. Und das Kind. Ich wäre verantwortlich, hat sie gesagt. Wann war ich jemals für etwas verantwortlich? Dummer Esel, sagen die Leute. Dass ich ein gutes Gedächtnis habe, dass ich genügsam bin und für andere die schweren Lasten schleppe – wen interessiert das? Esel können sich nicht wehren.

Jetzt soll ich Verantwortung tragen. Nach Ägypten sollen wir gehen. Ich weiß nicht, wie weit das ist. Ich werde die Ohren spitzen und auf meine gute Nase vertrauen. Sie wollen sich auf mich verlassen, auf einen Esel. Sie trauen mir das zu, weil ich gutmütig bin. Sie trauen es mir zu, weil ich das Kind liebe und mich von ihm streicheln lasse.

Esel sind verantwortlich. Gewusst habe ich das immer schon.

(RP)