Eine Wohngemeinschaft als „Mannschaftsspiel“
„Besser Gemeinsam Wohnen“ ist ein herausragendes Projekt im Kempener Süden. Am Samstag gibt es einen Tag der offenen Tür.
Kempen. Während in diesen Tagen vor dem Mehrfamilienhaus, Alter Prozessionsweg 6, die Straßenbauarbeiter Stein an Stein legen, sind die Bewohner des Projektes „Besser Gemeinsam Wohnen“ (BGW) längst im Kempener Süden angekommen. „Die meisten wohnen schon im vierten Jahr hier. Und wir fühlen uns sehr wohl“, sagt Roger Buschfeld, Vorsitzender der Gemeinschaft. Neben den hunderten Einfamilien- und Doppelhäusern im Baugebiet „An der Kreuzkapelle“ ragt das Haus mit 21 Wohnungen und 35 Bewohnern nicht nur optisch heraus. Weil es am ländlichen Niederrhein kein vergleichbares Projekt gibt, das tatsächlich umgesetzt worden ist, ist BGW schlicht und einfach herausragend.
Für Samstag lädt die Gemeinschaft zum Tag der offenen Tür. „Bau, Einzug und Einleben haben prima funktioniert“, sagt Buschfeld. Die Gemeinschaft, die das Haus in einem gekoppelten Miet- und Genossenschaftsmodell finanziert, sei inzwischen eine „echte Gemeinschaft“. Buschfeld und sein Vorstandskollege Richard Müller-Hüwen stellen aber auch klar, dass unter 35 Bewohnern nicht immer eitel Sonnenschein herrschen kann. „Wenn es um Entscheidungen geht, gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen“, so Müller-Hüwen. Das halte die Kempener Gemeinschaft aber prima aus. „Letztlich entscheidet die Mehrheit. Es wird aber immer versucht, so viele wie möglich mitzunehmen“, ergänzt Buschfeld. Eine 51-zu-49-Mehrheit werde meist nicht als Mehrheit gesehen. Dann müsse auf dem Weg zu einem breiten Konsens nachgebessert werden.
Nicht jeder der Bewohner, die 2013 und 2014 eingezogen sind, ist heute noch dabei. Buschfeld und Müller-Hüwen berichten von drei Wohnungswechseln. „Bislang war es auch unproblematisch, Nachfolger zu finden“, sagt Buschfeld. Dem Verein ist aber klar, dass das nicht so bleiben muss. Auch deshalb gibt es wieder einen Tag der offenen Tür. „Es wäre schön, eine Art Liste zu haben mit potenziellen Interessenten“, so Müller-Hüwen. Es sei nämlich nicht so, dass man sich als Mieter vorstellen und zwei Wochen später einziehen könne. „Es geht darum, dass wir uns gegenseitig kennenlernen“, sagt Buschfeld. Die Gemeinschaft und deren Idee sowie neue Mieter bzw. Genossen müssen zueinander passen. „Unter anderem muss die Bereitschaft da sein, sich einzubringen“, so Buschfeld. „Bei uns muss man nicht alles können. Aber man muss Können wollen — jeder so wie er kann.“ Technik, Garten — diese und andere Bereiche regeln die Genossen meist in Eigenregie.
„Alle haben ihre Freiräume — aber es ist ein Mannschaftsspiel“, betont der Vorstand. Neben potenziellen Mietern und Genossen sind am Samstag Interessierte willkommen, die anderswo ein solches Projekt planen. „In Großstädten gibt es solche Modelle häufig. Aber auf dem Land ist das eher selten“, sagt Buschfeld. So sei ein entsprechendes Vorhaben in St. Tönis arg ins Stocken geraten. „So eine Gemeinschaft braucht viel Geduld. Berater sprechen von zehn Jahren“, so Buschfeld. „Und Glück ist auch vonnöten: In Kempen hat die Kooperation mit der Stadt prima geklappt.“ Kontakte zu anderen Ideenträgern gebe es immer wieder. Auch zum städtischen Quartiersentwickler Ingo Behr, der sich eine Umsetzung im Hagelkreuz-Viertel vorstellen könne.
Im Wohngebiet fühlen sich die Mitglieder von BGW sehr wohl. Mit den Nachbarn gebe es einen regen Austausch. Die vielen Familien mit Kindern seien gerne dabei, wenn es im Gemeinschaftshaus am Prozessionsweg Martinssingen oder Ostereiersuchen gibt.
Mit Freude blicken Buschfelds, Müller-Hüwens und Co. derzeit auf die Straßenbauer, die bald fertig sein werden. Es entsteht nicht nur — endlich — die „richtige Zufahrtsstraße“. Zwischen Kreuzkapelle und BGW-Haus kann man schon eine Art Platz erkennen. „Dieser könnte zu einem Treffpunkt werden. Vielleicht für Sommerfeste“, sagt Buschfeld. „Wenn hier alle Häuser fertig sind, ist das weit mehr als ein Wohngebiet. Das wird ein kleiner Stadtteil.“