Engagierter Streetworker hinterlässt große Lücke
In drei Wochen verlässt Leon Küsters Grefrath. Seine Nachfolge bereitet ihm und auch der Politik Sorgen.
Grefrath. Da staunte Leon Küsters nicht schlecht, als es am vergangenen Samstag an seiner Haustür klingelte und man ihn zu einer Überraschungsparty entführte. Die jungen Leute, mit denen der Streetworker nun schon so lange zusammenarbeitet, wollten ihn würdig verabschieden. Und das ist ihnen auf ganzer Linie gelungen. Noch Tage später ist Leon Küsters beeindruckt von dem, was man da für ihn heimlich auf die Beine gestellt hat. Rund 150 Leute feierten mit im Jugendhaus Dingens.
Der Streetworker Leon Küsters sucht eine neue Herausforderung. Daher wird er die Niersgemeinde offiziell Ende März verlassen und sich einer neuen Aufgabe widmen. Er wollte etwas anderes machen, bevor er den Draht zu seiner Zielgruppe verliert, so der 38-Jährige.
Nach einem Anerkennungsjahr als Erzieher in Willich, Studium und Stationen in Willich, Viersen und Kempen kam Leon Küsters vor 13 Jahren nach Grefrath und baute die mobile Jugendarbeit neu auf. Er wollte Streetworker werden und für ihn war klar: „Das ist meine Stelle.“
Mit vielen Projekten für Jugendliche wie die Abenteuercamps, Sport- und Kulturveranstaltungen, Projekten zur Mitbestimmung oder Beratungsangeboten tritt die mobile Jugendarbeit seither nach außen besonders in Erscheinung. Unter der Begleitung von Leon Küsters hat sich das Dingens von einem klassischen Jugendheim zu einem selbst verwalteten Jugendhaus entwickelt. „Das ist ein unglaubliches Ding“, freut sich Leon Küsters. Er ist begeistert von dem, was die Jungen und Mädchen in Grefrath eigenständig auf die Beine stellen: ob Konzerte, Soccer-Turniere oder Le-Parkour-Training.
Doch ein ganz wesentlicher Teil der Arbeit von Leon Küsters läuft hinter verschlossenen Türen ab. Junge Menschen kommen mit ihren Problemen zu dem Streetworker. 53 intensive Beratungen, dazu unzählige einzelne Anfragen waren es allein im vergangenen Jahr.
„Oft geht es dabei um die Existenzsicherung von jungen Leuten“, berichtet Leon Küsters. Auch junge Menschen seien heute immer wieder von Armut bedroht. Ihnen helfen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, sei ein wichtiges Arbeitsfeld. Für die Generation 18plus gebe es sonst keine Ansprechpartner. Die Hürden seien sehr hoch. Die Wege zu Beratungsangeboten besonders im ländlichen Raum lang.
Darum geht Leon Küsters auch mit einem unguten Gefühl. Denn noch ist kein Nachfolger in Sicht. Eine erste Ausschreibung habe nicht zum Erfolg geführt, so Sozialamtsleiter Volkmar Josten. Geeignete Kandidaten seien wieder abgesprungen.
Seit Dezember ist zudem Küsters Kollegin Tatjana Splinter in Elternzeit. Daher gibt es nun in Grefrath niemanden, der die Aufgaben der mobilen Jugendarbeit weiterführt und Ansprechpartner für die jungen Menschen mit Problemen ist. Es gibt keinen, an den Leon Küsters seine „Fälle“ übergeben kann, wenn er sich in drei Wochen verabschiedet. Auch bei den jungen Grefrathern hat er eine Verunsicherung bemerkt. Sie fragen sich: An wen sollen wir uns jetzt wenden?
In der für ihn letzten Sitzung des Ausschusses für Jugend, Soziales und Senioren in der Gemeinde Grefrath verabschiedeten ihn die Politiker mit Wehmut und den besten Wünschen für die Zukunft. „Sie waren immer sehr engagiert. Es wird sehr schwierig sein, diese Lücke zu füllen“, sagte die Ausschussvorsitzende Kirsten Peters (CDU). „Ich war immer sehr beeindruckt von ihrer unerschütterlichen Leidenschaft für die Sache“, so Dorothe Heller (SPD). Küsters habe bei vielen jungen Menschen Spuren hinterlassen.
Leon Küsters bedankte sich für die gute Zusammenarbeit und bat die Politiker die jungen Menschen in Grefrath nicht aus dem Blick zu verlieren. Von Politikverdrossenheit könne keine Rede sein, viele wollten sich in Projekten engagieren. „Halte Sie ein Ohr an den Jugendlichen! Schaffen Sie Möglichkeiten zum Austausch!“, bat Küsters.
Wie soll es nun weitergehen? Man brauche doch zumindest für Notfälle einen Ansprechpartner, so Manfred Wolfers jun. (CDU). Doch eine gute Lösung hat Sozialamtsleiter Volkmar Josten zunächst nicht parat. Und vorübergehend einen Ansprechpartner zu benennen, sei auch schwierig, so Josten: „Das hat viel mit Vertrauen zu tun.“ Josten ist aber sehr optimistisch, dass die Einrichtungen wie das Dingens auch in Zukunft weiter laufen werden.