Einschulung vor 75 Jahren Den Ranzen des Onkels geschultert
Grefrath/Moers · Vor 75 Jahren sah die Einschulung anders aus. Erinnerungen einer gebürtigen Grefratherin.
1943: Der Zweite Weltkrieg bestimmte das Leben der Menschen bis ins kleinste Detail des Alltags. Neben Angst und Sorgen gab es auch Not und Mangel an Dingen des täglichen Lebens, das wiederum möglichst im normalen Gang ablaufen sollte. Besonders, wenn Kinder betroffen waren. So auch in Grefrath, wo im Herbst 1943 die Einschulung bevorstand.
Eines der Mädchen war Emma-Christine Leyendeckers. Die heute 81-Jährige hat aufgeschrieben, wie das vor 75 Jahren gewesen ist mit ihrer Einschulung in die Volksschule, die damals an der Ecke Hochstraße/Schulstraße lag.
Kurz vor dem Start ihrer Lockenpracht beraubt
Noch heute erinnerte sie sich gut, wie ihre Mutter sie zuvor „ihrer Lockenpracht“ beraubt hat. „Die Haare waren an den Seiten bis über die Ohren abgeschnitten und den Kopf zierte eine sogenannte Tolle, wie das damals so üblich war“, erzählt die gebürtige Grefratherin, die heute Fock mit Nachnamen heißt, von Beruf Gymnasiallehrerin für Mathematik und Physik war und in Moers lebt. Ihre Erinnerungen, für ein Klassentreffen festgehalten, hat sie der WZ zur Verfügung gestellt.
Während heute die Wahl des Schulranzens eine heikle Sache ist in puncto Farbe und Motiv, so hatte die junge Emma-Christine keine Wahl. Sie schulterte den Tornister ihres Onkels Emil - was bedeutete, der neu geschwärzte Tornister hatte schon etliche Jahre auf dem Buckel. „Die Schiefertafel, von der ein sogenanntes Tafelläppchen lustig aus dem Tornister baumelte, hatte einen Riss über die gesamte Fläche und war so nur bedingt einsatzfähig“, heißt es in dem Bericht.
Schulschürze
statt -tüte
In eine Schultüte gehört heute eine bunte Mischung aus Spiel, Spaß und Überraschung. So etwas hatte Emma-Christine Leyendeckers 1943 nicht. Stattdessen konnte sie sich eine Schulschürze umbinden, diese war zum Schutz der Kleidung gedacht.
Es habe einen Klassenlehrer für die Jungen und Mädchen gegeben. Das sei Rektor Berniers gewesen. Ihr Klassenkamerad Herbert Küsters vom Grefrather Heimatverein erinnert sich, dass etwa 50 Kinder eingeschult worden seien.
„Unsere Fibel - sicherlich aus alten Beständen - machte uns auf der ersten Seite mit dem Buchstaben i vertraut. Geschmückt war die Seite mit einem prächtigen, bunten Hahn. Nach der Schreibschrift ging es dann beim Lesen zur Druckschrift über. Damit sind wir in der ersten Klasse wegen der Kriegseinwirkungen nicht sehr weit gekommen“, schreibt Emma-Christine Fock in ihren Erinnerungen.
Ihre ersten Schuljahre waren durch den Krieg geprägt: „Ich erinnere mich an einen Aufenthalt im Schulbunker, bei dem eine Geschichte von einem weißen und schwarzen Kaninchen in Druckschrift Gegenstand der Leseübung war. Danach brach der Schulunterricht wegen der Häufung der Gefahr von Luftangriffen ab, wir konnten zu Hause bleiben.“
Später sei es zu einer Notlösung gekommen, sie und Nachbarskinder seien „von Fräulein Heyer in ihrer Privatwohnung an der Mülhausener Landstraße“ unterrichtet worden. Diese habe in einem großen Ohrensessel gesessen und „schöne Fleißkärtchen“ verteilt. Rektor Beniers habe dann noch einen Unterrichtsversuch gestartet: „Bei uns zu Hause. Davon ist mir nur die Pause in Erinnerung, in der die Schüler auf unserem Hof mit Dreirad, Roller und Seilchen herumtollten.“ Erst nach Kriegsende, berichtet die pensionierte Lehrerin, habe wieder geordneter Unterricht stattgefunden.