Kempen Flüchtlinge auf AZ-Gelände gerettet

Zehn Iraker strandeten in einem Kühl-Lkw bei der Kempener Absatzzentrale. Mitarbeiter des Unternehmens kümmerten sich um die Menschen. Sie sind wohlauf und wollen weiter nach England.

Foto: Friedhelm Reimann

Kempen. Der Mitarbeiter der Absatzzentrale in Kempen (AZ) in Kempen merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. Als er sich am Samstagmorgen kurz nach 7 Uhr auf dem AZ-Firmengelände an der St. Huberter Straße daran machte, einen Lastwagen zu entladen, registrierte er, dass darin jemand war. Womit schon fast klar war, dass es hier einen Hintergrund mit Flüchtlingen geben musste. Er alarmierte umgehend Geschäftsführer Oliver Bremicker.

„Zwischen der Paletten-Oberkante und dem Dach des Lasters sind rund 50 Zentimeter Platz. Dort hatten sich zehn Menschen, darunter auch kleine Kinder, versteckt“, schildert Bremicker die Situation in einem Lkw eines Zulieferers mit portugiesischem Kennzeichen. Der Geschäftsführer rief die Polizei hinzu. Schon bevor die Beamten eintrafen, kümmerte sich die Belegschaft von AZ um die Flüchtlinge. „Wir haben sie in einen Aufenthaltsraum gebracht und erstmal mit Tee, Keksen und Brötchen versorgt“, so Bremicker. Für die Kinder wurde flugs Spielzeug besorgt. Trotz eher bruchstückhafter Kommunikation war schnell klar: Das eigentliche Ziel der Flüchtlinge war England. Sie waren lediglich in Kempen gestrandet, eigentlich wollten sie nach England.

„Das hätte ganz anders ausgehen können“, erzählt Bremicker. „Wären die Flüchtlinge tatsächlich in einem Lkw nach England gewesen, hätte womöglich die Luft nicht mehr ausgereicht.“ Sprich: Es nur dem puren Zufall zu verdanken, dass es keine Toten gab. „Diese Menschen sind von Schleppern betrogen worden, wahrscheinlich haben sie viel Geld für die Fahrt bezahlt.“ Wie bereits berichtet, wussten die Flüchtlinge nicht, dass das Ziel des Lkw Kempen war.

Gesundheitlich haben die Betroffenen die Reise gut überstanden. Alle hatten dicke Sachen an. Die Kälte — in den Kühl-Lkw herrschen drei Grad — hatte keinen Schaden angerichtet. Die Menschen stammen nach eigener Aussage aus dem Nord-Irak, einer von Kurden besiedelten Region. Bei den Gestrandeten handelt es sich um zwei Familien und einen Alleinreisenden (siehe Infokasten).

Nachgehakt

Die Polizei brachte die Menschen nach Viersen, wo sie zunächst vernommen wurden. Dazu musste ein Dolmetscher hinzugezogen werden. Ergebnis: Eine Familie und der einzelne Mann waren bereits in Deutschland registriert. Das war zu Jahresbeginn in Erding geschehen, von wo aus sie weiter nach Frankreich gereist waren. „Sie wollten nach England, wo sich bereits Familienangehörige aufhalten“, erklärte Antje Heymanns, Pressesprecherin der Kreispolizei am Montag auf WZ-Nachfrage.

Bei den Vernehmungen stellte sich auch heraus, dass die registrierte Familie sich möglicherweise in Frankreich mit anderen Papieren gemeldet hatte. „Nach der Vernehmung haben wir dem Ausländeramt Bescheid gegeben.“ Anschließend sei die Arbeit für die Polizei zunächst beendet gewesen.

Nach der Vernehmung wurden die Gestrandeten in die Notunterkunft am Kempener Berufskolleg gebracht. „Die Familien haben sich in Istanbul kennengelernt und dort beschlossen, gemeinsam zu reisen“, erklärt Rouven Soyka von der Pressestelle des Kreises Viersen. Der Kreis war in Gestalt des Ausländeramtes involviert. „Bei der Registrierung in Bayern muss es bereits eine Zuweisung in eine Erstaufnahme gegeben haben“, erklärt Soyka. Die Familie habe Papiere aus dem französischen Rouen bei sich gehabt.

Derzeitiger Stand: Alle Gestrandeten weigern sich, in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht zu werden. „Das bedeutet, dass sie weiter durch Europa ziehen werden“, so die Pressestelle. Nach England zu kommen ist für Flüchtlinge schwierig. Das Land lässt Asylsuchende an den Grenzen ab.