Kempen Glaubensfrage treibt Schützen um

Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche ist für Bezirks-Chef Uli Loyen wichtig. Es geht um eine Abstimmung auf Bundesebene.

Foto: Reimann

Kempen/Grefrath/Tönisvorst. „Wie hast du’s mit der Religion?“ Die berühmte „Gretchenfrage“ aus Goethes „Faust“ beschäftigt momentan den Bezirksverband Kempen im Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften. Zuletzt hatten Lüttelforster Schützen (Bezirk Brügen-Schwalmtal) mit einer „Gastmitgliedschaft“ für aus der Kirche Ausgetretene für Aufsehen gesorgt (die WZ berichtete).

Der Hintergrund: Noch ist es offiziell so, dass ausschließlich Mitglieder einer christlichen Kirche mitmarschieren dürfen. Doch auf der Bundesversammlung am 12. März in Leverkusen soll darüber abgestimmt werden, dass auch Nicht-Christen (also unter anderem Muslime und Atheisten) Mitglieder werden können. Wenn auch erst nach eingehender Einzelfallprüfung durch den örtlichen Präses — im Falle Kempens wäre das Propst Thomas Eicker — und den jeweiligen Brudermeister.

Gäben beide ihr Okay, hätte der Bewerber (oder die Bewerberin) fast die volle Mitgliedschaft. Auch die Königswürde wäre möglich — sogar auf Bundesebene. Nur hohe Vorstandsämter wären nach wie vor tabu.

Mit dieser möglichen Änderung haben Schützen in der Region Probleme, wie auch am Montagabend auf der alljährlichen Delegiertenversammlung auf Gut Heimendahl deulich wurde. Der Bezirksverband unterstützt den Antrag, wonach das Thema in Leverkusen von der Tagesordnung genommen werden soll.

Im Gespräch mit der WZ betonte der höchste Schütze im Umkreis, Bezirksbundesmeister Uli Loyen aus Vorst, die hohe Bedeutung christlicher Werte für seine Gemeinschaft: „Wir sind keine weltlichen Schützen, sondern ein katholischer Verband. Auf unseren Fahnen steht ,Glaube, Sitte, Heimat’“, so Loyen. „Unser Schutzpatron, der heilige Sebastian, hat sich lieber von Pfeilen durchbohren lassen, als Christus zu verleugnen.“

Wenn sich die Bruderschaften derart öffnen würden, hätte man irgendwann die Situation, „dass die Fahnenabordnung rund um den Altar nur noch aus Nicht-Kirchenmitgliedern besteht“, so seine Befürchtung.

Auch die Einzelfallprüfung hält der Bezirksbundesmeister für keine gute Idee. „Wie soll man das prüfen? Und was mache ich zum Beispiel, wenn ich einen guten Kumpel habe, der zwar mit Kirche nichts anfangen kann, aber uns beim Tribünenbau hilft, kostenlos Material zur Verfügung stellt — kurz: viel Gutes im Sinne der Bruderschaft tut?“

Wäre denn ein Mensch mit einem solchen Engagement nicht ein Paradebeispiel für eine Ausnahme? Nicht unbedingt, findet Uli Loyen. Denn es gehöre „mehr dazu“, Schützenbruder oder -schwester zu sein, als bei den Kirmes-Vorbereitungen zu helfen und mitzumarschieren.

Mit dieser Einstellung wird Loyen, der in Leverkusen rund 1600 Schützen aus dem Kempener Land vertritt, nicht alleine dastehen. Den Antrag auf Verschiebung des umstrittenen Themas habe der gesamte Diözesanverband Aachen gestellt. Dieser besteht aus 32 Bezirksverbänden, die etwa 54 000 Mitglieder repräsentieren. Der Bund der Historischen Deutschen Schützenbrüderschaften hat ungefähr 400 000 Mitglieder.

„Wir wollen einfach mehr Zeit haben, um in internen Gesprächen zu einem für alle akzeptablen Kompromiss zu kommen“, lautet Loyens Begründung für den Antrag auf Verschiebung. Ob es Erfolg haben wird, ist offen.

Mit einem anderen Thema haben die Schützen aus der Region hingegen kein Problem, betont ihr Vertreter. Dabei geht es um die stärkere Einbindung von offen homosexuell lebenden Brauchtumsfreunden. „Dagegen sperren wir uns nicht“, sagt Uli Loyen. Er sei grundsätzlich dafür, dass man sich öffne.