Grefrath „Junge Menschen brauchen eine Anlaufstelle“
In Mariendonk sprach Professor Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven über die nachhaltige Bekämpfung des Terrorismus.
Mülhausen. Attentate der Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) haben in jüngster Vergangenheit für eine Welle der Trauer und Wut gesorgt: Mehr als 500 Menschen haben in Beirut, Ankara, Istanbul oder Tunis ihr Leben verloren. Auf die verheerende Anschlagsserie auf Bars, Restaurants und die Konzerthalle Bataclan, die sich am 13. November 2015 in Paris ereignet hat, hatte Frankreichs Präsident Hollande sofort reagiert und eine Verstärkung des Militärs angeordnet. Das Vorgehen gegen den Terror ist seither mehr denn je Grundlage für hitzige Diskussionen — auch für Professor Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Hamburger Instituts für Theologie und Frieden.
Zum Thema „Nachhaltige Bekämpfung statt Krieg gegen den Terrorismus“ lud er in die Abtei Mariendonk; rund 40 Interessierte erschienen. Justenhoven bezog gleich zu Beginn eine klare Stellung: „Hollandes Botschaft lautet: Wenn wir den IS militärisch bekämpfen, lösen wir das Terrorismusproblem in Frankreich. Dies ist in meinen Augen falsch.“
Seit 2013 befasst er sich mit der komplexen Thematik, deren Ursprung im Nahen Osten liegt: In den von Bürgerkriegen gezeichneten Staaten Syrien und Irak. Der Kriegsschauplatz wird besonders durch das Einwirken der benachbarten Staaten Saudi Arabien, Iran, Libanon, Israel und der Türkei zu einem gefährlichen Spannungsfeld. Ferner wollen sich in Justenhovens Augen die USA und Russland in ihrer Vormachtstellung behaupten. Gleichzeitig betont er: „Die Terroristen werden in diesen Ländern ausgebildet, doch sie radikalisieren sich am Rande der westlichen Gesellschaft: In den Vorstädten Europas.“
Auch die Spur der Attentäter von Paris führt nach Molenbeek, einen Vorstadtbezirk Brüssels. Diskriminierung, Verunsicherung und Werte-Verschiebung als Folge der Globalisierung, Perspektivlosigkeit — auf dieser Basis sei der IS mit seiner professionellen Propaganda verlockend, könne jungen Menschen eine klare Identität geben. Daher forderte Justenhoven, genau in diesem Milieu anzusetzen: „Imane und Prediger, die zu Gewalt und Hass aufrufen, dürfen in Moscheen keine Bühne erhalten.“ Außerdem müssten in jeder großen Stadt Anlaufstellen für Jugendliche eingerichtet werden, an die sie sich bei Problemen wenden können.
Mit einer ungewissen Zukunft haben ebenfalls Flüchtlinge zu kämpfen, die Asyl in Deutschland suchen. Jene Anlaufstellen sollten auch für sie gelten. Die Herausforderung, Einwanderer in die Gesellschaft zu integrieren, erlebt Justenhoven selbst: Seit November hat er bei sich zu Hause zwei Flüchtlinge aus Eritrea aufgenommen. Er versuche, „mit ihnen den Alltag zu leben“.
Im Anschluss an den Vortrag stand er bereit für eine offene Fragerunde, die von einer Vielzahl von Besuchern wahrgenommen wurde. „Die Ausbildung für die Mitarbeiter in einer solchen Anlaufstelle wäre sehr schwierig“, räumte eine Interessierte ein und auch Justenhoven erkannte, dass diese „viel Psychologie mitbringen“ müssten. „Wann werden die Konflikte in Syrien und im Irak gelöst?“, wollte ein Besucher wissen — eine Frage, auf die auch der Professor keine zufriedenstellende Antwort geben kann: „Es ist eine Problematik, die uns noch viele Jahre begleiten wird.“