Personal-Probleme in den Kitas Wie Kommunen untereinander um Kita-Personal kämpfen

Kempen/Kreis Viersen · In den Kitas fehlt an allen Ecken und Enden Personal. Und die Lage wird sich weiter verschärfen. Die Konkurrenz zwischen den Kommunen wächst.

Starke Geburtenjahrgänge treffen derzeit auf zu wenig Personal in den Kindertagesstätten. Die Kommunen kämpfen um Fachkräfte.

Foto: dpa/Jens Büttner

„Pädagogische Fach- und Ergänzungskräfte gesucht.“ „Erzieherinnen/Erzieher gesucht.“ In der Rubrik „Stellenangebote“ auf den Internetseiten nahezu aller Städte und sonstiger Träger finden sich derzeit entsprechende Anzeigen. Das zuständige Bundesministerium erwartet, dass bis 2025 in den Kindertagesstätten Deutschlands 300 000 Fachkräfte fehlen. Diesen Fachkräftemangel spüren die Träger von Kindergärten schon jetzt. Und mit dem dringend notwendigen Bau von Kitas – unter anderem in Kempen und Willich – wird sich diese Lage verschärfen.

„Der Arbeitsmarkt im Bereich der pädagogischen Kräfte ist so umkämpft wie nie. Die Kommunen stehen in einer starken Konkurrenz zueinander“, sagt Gabriele Maahn, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi NRW. Dieser Druck sei möglicherweise auch der Grund dafür gewesen, dass es in den jüngsten Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst zu veritablen Gehaltserhöhungen für pädagogische Fachkräfte gekommen sei. Diese sind zum 1. April wirksam geworden.

Damit sei das Problem für die Arbeitgeber aber nicht gelöst, sagt Maahn. Hauptgrund für den Fachkräftemangel sei ein „mangelhaftes“ Ausbildungssystem. „Es gibt derzeit einfach keine Fachkräfte. Diese müssen erst noch ausgebildet werden“, so Maahn. Eine Aufgabe, der sich die Arbeitgeber in erster Linie zu stellen hätten, findet die Verdi-Vertreterin. Die Bedingungen hätten sich erst kürzlich dadurch verbessert, dass Auszubildende sich auf rechtliche Vereinbarungen in einem Tarifvertrag berufen können. Früher sei es ausschließlich so gewesen, dass die Träger selbst die Ausbildungsbedingungen geregelt haben. Laut Maahn führte das sogar zu der Situation, dass die Ausbildung den jungen Menschen zum Teil Geld gekostet habe. Nun seien Gewerkschaften und Arbeitgeber aber auf dem richtigen Weg, findet Maahn.

Bis aus den Auszubildenden allerdings Fachkräfte werden, wird es noch dauern. Das bestätigen Vertreter von Kommunen und freien Trägern aus dem Kreis Viersen, mit denen die WZ gesprochen hat. „Da gibt es eine Lücke, die noch mindestens zwei Jahre existieren wird“, sagt Bernd Bedronka, Kreis-Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Nahezu permanent suche die Awo Kräfte für ihre Einrichtungen – unter anderem in Grefrath an der Dorenburg. „In diesem Beruf ist es ja auch weiterhin so, dass ihn meist Frauen ergreifen“, so Bedronka. Daher gebe es fortwährend das Thema von Schwangerschafts- und Elternzeitvertretungen. Diese seien dann meist nur durch befristete Arbeitsverträge zu ersetzen und somit weniger attraktiv für Bewerber und Bewerberinnen, so Bedronka.

Unbefristete Stellen sind ein Wettbewerbsvorteil

Daher gingen inzwischen einige Arbeitgeber ins Risiko, möglichst viele unbefristete Stellen auszuschreiben, sagt Michael Süßbeck vom Jugendamt der Stadt Willich. Auch die Willicher Verwaltung versuche, möglichst die Befristungen zu verhindern. „Das ist aber nicht immer machbar“, sagt Süßbeck mit Blick auf viele Vertretungsstellen. Zu den risikofreudigen Kommunen gehört offenbar die Stadt Viersen. Dort heißt es in der sogenannten Dauerausschreibung für Erzieher-Stellen, dass diese unbefristet erfolgen.

Nachdem die Bewerbungsrunden in der Vergangenheit nicht wirklich erfolgreich waren, hat die Stadt Kempen inzwischen die Formulierung in ihrer fortwährenden Ausschreibung verändert. Dort heißt es nun, dass „die Stellen mit unterschiedlichen Stundenumfängen und teilweise befristet zu besetzen sind“. Kempen steckt im Dilemma, dass zunächst für die Übergangs-Kita in St. Hubert Kräfte gesucht werden. Und der Begriff Übergang schreit nahezu nach einer Befristung. Auch wenn ohne Frage dauerhaft Fachkräfte in allen Einrichtungen gesucht werden. Zudem sollen im Sommer 2020 zwei neue Kitas eröffnet werden. Diese sollen aber wohl von freien Trägern übernommen werden, die allerdings ebenso Personal brauchen werden. In der Kempener Politik jedenfalls gibt es Stimmen, grundsätzlich auf eine Unbefristung zu setzen. „Wenn eine Kommune eine unbefristete Stelle anbietet, ist sie in jedem Fall gegenüber der Kommune mit einer befristeten Stelle im Vorteil“, sagt Verdi-Expertin Maahn.

Zumal die Städte und Gemeinden im Bereich der Vergütung wenig Spielraum haben. „S 8a“ ist die Gehaltsstufe im Vertrag des öffentlichen Dienstes, in der pädagogische Fachkräfte eingruppiert werden. Das trifft auch auf die aktuellen Ausschreibungen in Kempen, Viersen und Willich zu. „Daran orientieren sich alle Arbeitgeber“, sagt Maahn. Höhere Eingruppierungen seien zwar möglich, stießen aber an die Grenzen eines kommunalen Haushaltes. Außerdem übernehme das Land einen Teil der Kosten und stecke somit den Rahmen enger. „Wir wissen, dass Kommunen zum Beispiel im Bereich von IT-Mitarbeitern deutlich mehr zahlen, als sie müssten. Im pädagogischen Bereich ist mir das nicht bekannt“, so Gabriele Maahn.

Spielraum bieten höchstens die sechs Stufen des Tarifvertrags

Einen gewissen Spielraum haben die Städte nur bei der Einstufung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im öffentlichen Dienst gibt es sechs Gehaltsstufen, die Angestellte in ihrer Karriere durchlaufen. Alter und Berufserfahrung sind die Faktoren für eine höhere Einstufung. Mit Berufserfahrung lande man in jedem Fall schon mal in der zweiten Stufe, berichtet Michael Süßbeck. Es sei dann an der Kommune, eine noch höhere Einstufung vorzunehmen, um die Arbeitsstelle attraktiver zu machen. Ein Vergleichsbeispiel: In „S 8a“ verdient eine Fachkraft in Stufe zwei 3005,83 Euro brutto, in Stufe drei sind es 3217,36 Euro.

Während „S 8a“ für Fachkräfte nahezu in Stein gemeißelt ist, gibt es im Bereich der sogenannten Ergänzungskräfte Unterschiede zwischen den Kommunen. Dabei handelt es sich um Kräfte mit der kürzeren Ausbildung in der Kinderpflege oder Sozialassistenz. Aktuell schreiben die Städte Viersen und Willich diese Stellen in „S4“ aus, während Kempen in der niedrigeren Stufe „S3“ liegt. In Gehaltsstufe zwei verdient eine Ergänzungskraft in Willich 2796,13 Euro, in Kempen nur 2631,05 Euro. Willich begründet diese Eingruppierung mit sogenannten „herausgehobenen Tätigkeiten“.

Beim Blick aufs Gehalt haben die freien Träger im Vergleich zu Städten und Gemeinden übrigens einen Wettbewerbsnachteil, wirft Awo-Geschäftsführer Bernd Bedronka ein. Da es sich um Stellen mit Landesfinanzierung handele, gelte für freie Träger das sogenannte Besserstellungs-Verbot. Die Awo, die mit ihren Tarifen leicht unter denen des öffentlichen Dienstes liege, dürfe also keinesfalls mehr zahlen als eine Kommune. Grundsätzlich stellt Bedronka heraus, dass der Beruf von Erzieherinnen und Erziehern deutlich besser sei als sein Image. „Insbesondere die Bezahlung hat sich durch die jüngste Tariferhöhung verbessert“, so der Awo-Geschäftsführer.